Frankreich nach der Wahl:Republikaner machen Fillon für historische Schlappe verantwortlich

Präsidentschaftswahl in Frankreich

Erst im November 2016 hatten die Republikaner François Fillon mit großer Mehrheit zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gekürt.

(Foto: dpa)
  • Noch nie sind die Republikaner oder ihre Vorgängerparteien schon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gescheitert.
  • Erst im November 2016 hatten die Republikaner François Fillon mit großer Mehrheit zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gekürt.
  • Dabei galt die Wahl für die Konservativen als "unverlierbar", wie Parteimitglieder selbst immer wieder betonten.

Von Nadia Pantel

Die Nacht nach der Wahl war für Frankreichs Republikaner nicht nur eine Zeit der Niederlage, sondern auch eine Zeit des Nachtretens. "Es sind nicht die Konservativen, die verloren haben, sondern François Fillon", sagte Eric Woerth, Republikaner und ehemaliger Arbeitsminister schon am Sonntagabend. Seine Parteikollegin, die frühere Justizministerin Rachida Dati, kam in einem Fernseh-Interview ins Schimpfen: "Das konservative Frankreich gibt es durchaus noch, es wurde nur von Menschen repräsentiert, die sich nicht zu benehmen wussten." Und auf der Wahlparty der Republikaner erzählten frustrierte Kampagnen-Helfer des gescheiterten Fillon dem Parisien, dass der Kandidat ein bürgerlicher Spießer sei, der während des Wahlkampfes immer eher genervt als engagiert gewirkt habe.

Erst im November 2016 hatten die Republikaner François Fillon mit großer Mehrheit zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gekürt. Für ein paar Monate war er Held und Hoffnungsmann. Nun ist er vor allen Dingen eines: schuld an der größten Niederlage, die die Konservativen seit Gründung der Fünften Republik 1958 hinnehmen mussten.

Noch nie sind die Republikaner oder ihre Vorgängerparteien schon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gescheitert. Und das bei einer Wahl, die für die Konservativen als "unverlierbar" galt, wie Parteimitglieder selbst immer wieder betonten. Schließlich hatten sich die Sozialisten unter François Hollande in bislang unbekanntem Maße unbeliebt gemacht. In der politischen Logik der Republik stand folglich der Wechsel von links nach rechts an. So funktioniert das Zwei-Lager-System Frankreichs seit 60 Jahren.

Wie Fillon es dennoch geschafft hat, auf den dritten Platz und somit raus aus der Stichwahl zu rutschen? Das größte Problem dürfte die seit Januar öffentlich diskutierte Affäre um die mögliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Penelope gewesen sein. Gegen den Saubermann Fillon ermittelt die Staatsanwaltschaft - und der reagierte mit Verschwörungstheorien und wüsten Beschimpfungen. Man habe sich gegen ihn verschworen, das System sei verkommen, er sei der einzig Aufrechte unter lauter Korrupten. Eine Haltung, die Fillon auch als klarer Verlierer nicht aufgab. Als er am Sonntag seine Niederlage eingestand, schob er hinterher: "Trotz meiner Entschlossenheit, ist es mir nicht gelungen, Sie zu überzeugen. Die Hindernisse, die man mir in den Weg gelegt hatte, waren zu zahlreich und zu grausam."

Fillon ist für Frankreichs EU-Mitgliedschaft, Le Pen dagegen

Bei aller Kritik an der Person gibt es in der Partei aber auch Stimmen, die den Fokus weg von Fillons persönlichen Entscheidungen, hin zu seinen politischen Überzeugungen lenken. Gérald Darmanin, Vize-Präsident der Republikaner in der Region Hauts-de-France, greift Fillons Kampagne in einem Interview mit dem Parisien am Montag massiv inhaltlich an. "Das Ergebnis dieser Wahl zeigt, dass die Franzosen mehr erwarten als nur einen Identitäts-Diskurs. Sie wollen soziale Lösungen."

Tatsächlich hatte Fillons wirtschaftsliberales Reformprogramm die Republikaner überzeugt, ihn zum Kandidaten zu machen. Im Wahlkampf konzentrierte er sich dann jedoch stark auf die Frage, wie die französische Gesellschaft auszusehen habe. Sein Ideal war in gewisser Weise er selbst: katholisch, in hohem Maße stolz auf sein Land, skeptisch gegenüber Schwulen, Einwanderern und anderen Minderheiten, streng konservativ, für eine rigide Sicherheitspolitik. Fillons Positionen deckten sich oft mit dem identitären Diskurs der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Der zentrale Unterschied: Fillon ist für Frankreichs EU-Mitgliedschaft, Le Pen dagegen.

Die Konservativen wollen Le Pen als Präsidentin unbedingt verhindern

Die Konservativen rückten nach rechts, während der rechtsextreme Front National unter Marine Le Pen auf rassistische, anti-semitische oder homophobe Ausfälle verzichtet. Die alten Herren um Partei-Gründer Jean-Marie Le Pen meckerten nach der Wahl, Tochter Marine habe einen linken Wahlkampf gemacht.

Für die Republikaner stellen sich nun drei Fragen. Erstens: Setzen sie bei ihrem politischen Profil in Zukunft eher auf den gemäßigt-konservativen Flügel oder auf rechte Hardliner? Zweitens: Wer soll die Partei in Zukunft führen? Drittens: Können sie es schaffen, die Parlamentswahlen zu gewinnen, die im Juni anstehen?

Die Hauptherausforderung dürfte es sein, die personellen und inhaltlichen Fragen in der Partei so schnell zu klären, dass die Konservativen sich vom 8. Mai an als gestärkte, einige Partei präsentieren können. Bis zum 7. Mai dürften sich die führenden Parteimitglieder darauf konzentrieren, den Mitte-links-Kandidaten Emmanuel Macron zu unterstützen, damit eine Präsidentschaft Marine Le Pens verhindert wird. Zum einen, weil in den Augen vieler Parteimitglieder Le Pen eine nicht regierungsfähige Rechtsradikale ist. Zum anderen, weil der Raum auf der Rechten knapp wird, wenn Le Pens Front nicht mehr zu den Geächteten, sondern zu den bürgerlichen Parteien zählen sollte.

Doch sobald die Präsidentschaftswahl ausgestanden ist, dürfte der Wahlkampf von Neuem beginnen. Dieses Mal eben um die Sitze im Parlament. Vor der Niederlage Fillons hatten die Republikaner noch fest mit einer Mehrheit im Parlament gerechnet - und sie ist immer noch möglich.

Sollten die Republikaner die Parlamentswahl gewinnen, werden sie auch den Premierminister stellen. Für Macron oder Le Pen, den zukünftigen Präsidenten also, würde das bedeuten, mit dem politischen Gegner gemeinsam regieren zu müssen. An dieser Cohabitation genannten Konstellation mühte sich bereits der sozialistische Präsident François Mitterrand ab.

Doch damit es so weit kommen kann, müssen Frankreichs bürgerliche Rechte sich erst einmal zusammenraufen. Damit wurde direkt am Montag begonnen. Für den Abend war ein Treffen des erweiterten Parteivorstands angesetzt. Es wird erwartet, dass das Gremium erste Linien für die Zukunft der Partei festlegt.

Die Fillon-Kritiker haben dabei eine klare Forderung: Hauptsache, Fillon tritt ab. Am Montagabend tut er ihnen schließlich den Gefallen. Er habe nicht mehr die Legitimation, sich dem "Kampf zu widmen", sagt der Ex-Kandidat. Für die Parlamentswahlen werde er nicht antreten.

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