Frankreich:Macrons billiger Einsatz für Frankreichs Frauen

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Emmanuel Macron bei einer Rede am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Hinter ihm Marlène Schiappa, die Staatssekretärin für Gleichberechtigung. (Foto: AFP)
  • Frankreichs Präsident Macron will sich in seiner Amtszeit besonders für Gleichberechtigung und gegen Sexismus einsetzen.
  • Frauenorganisationen kritisieren, dass er dafür kaum Geld zur Verfügung stellt.
  • 2018 soll in Frankreich ein Gesetz verabschiedet werden, das die Belästigung von Frauen auf der Straße verbietet - für viele reine Symbolpolitik.

Von Lilith Volkert

In Frankreich beginnt die Metoo-Debatte zwei Tage früher als in den USA - und deutlich schärfer. Am 13. Oktober twittert die in New York lebende Französin Sandra Muller unter dem Eindruck der Diskussion um den übergriffigen Produzenten Harvey Weinstein: "Erzähl auch du von der sexuellen Belästigung, die du am Arbeitsplatz erfahren hast, und verrate Namen und Details. Ich warte auf euch". Hashtag: #BalanceTonPorc - "Verpfeif dein Schwein".

Muller selbst stellt zwei Männer an den Online-Pranger. In den ersten drei Tagen reagieren an die 150 000 Frauen, inzwischen wurde #BalanceTonPorc mehr als 500 000 Mal verwendet - ein in Frankreich nie dagewesener Aufschrei. Dass nur wenige Männernamen genannt wurden, mag daran liegen, dass man auch hier wegen übler Nachrede verklagt werden kann.

Die Debatte über sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch ist in Frankreich auf besonders fruchtbaren Boden gefallen. Seit Monaten wird hier heftig über verschiedene Formen von Gewalt gegenüber Frauen diskutiert. Sei es verbal oder auf körperlicher Ebene, in der Familie oder durch Unbekannte. Es geht um Beleidigungen im Internet und inakzeptables Verhalten von Klinikpersonal während einer Geburt. Stets melden sich zahlreiche Betroffene in den sozialen Medien zu Wort. Schon vor #BalanceTonPorc und #Metoo hat die Regierung ein Gesetz angekündigt, das Belästigung auf der Straße unter Strafe stellen soll. "Da tut sich gerade etwas", fasst Brigitte Macron, die Frau des Präsidenten, die Stimmung zusammen.

Mit einer PR-Kampagne für Gleichberechtigung und gegen Gewalt

Emmanuel Macron unterscheidet sich bei diesem Thema sehr von seinen Vorgängern - zumindest in dem, was er sagt. Er ist der erste Staatschef, der sich öffentlich zur Weinstein-Affäre äußert. Keine zwei Wochen nachdem die New York Times die ersten Missbrauchsvorwürfe veröffentlicht hat, kündigt er an, dem Hollywood-Produzenten den Orden der französischen Ehrenlegion entziehen zu lassen. Schon im Wahlkampf hat Macron versprochen sich für Frauenrechte einzusetzen. Nach seinem Sieg macht er die junge Unternehmerin und Lokalpolitikerin Marlène Schiappa zur Staatssekretärin für Gleichberechtigung. Trotzdem wird ihm vorgeworfen es nicht wirklich ernst zu meinen.

Ein Beispiel: Am 25. November, am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, ernennt Macron die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zur "grande cause nationale" seiner Amtszeit (wörtlich: "große nationale Angelegenheit"). Was nach einer "Chefsache" klingt, die Spitzenpolitiker wegen ihrer Wichtigkeit selbst in die Hand nehmen, ist aber nur eine Art Label. Wenn man so will: eine kostenlose PR-Kampagne mit Segen von ganz oben.

Frankreichs Präsident vergibt es normalerweise jedes Jahr an ein gemeinnütziges Ziel, dem seiner Meinung nach mehr öffentliche Aufmerksamkeit zusteht. Die öffentlichen Sender sind verpflichtet im folgenden Jahr je zwölf Werbespots zum Jahresthema zu veröffentlichen. Zuletzt waren das Unfallprävention und Erste Hilfe sowie die Rettung Schiffbrüchiger. Kritikerinnen merken an, dass vor sieben Jahren der Kampf gegen Gewalt an Frauen "nationale Angelegenheit" war, sich aber aus guten Gründen niemand mehr daran erinnere.

Macron lässt seinen Worten kaum Geld folgen

In seiner Rede Ende November zählt Macron zudem auf, welche Punkte er am dringendsten angehen möchte: Täter sollen härter bestraft, Opfer besser betreut, die "Bildung zugunsten der Gleichberechtigung" ausgeweitet werden. "Unsere ganze Gesellschaft ist an Sexismus erkrankt", sagt der Präsident. Er vermengt mit Gleichberechtigung, Sexismus und Gewalttaten drei vollkommen unterschiedliche Dinge zu einem großen Frauenthema. Seine Pläne stoßen bei betroffenen Organisationen aber aus einem anderen Grund auf wenig Begeisterung. "Wir sind enttäuscht von der lächerlichen Summe, die für diese Vorhaben bewilligt wird", erklärt Céline Piques, Sprecherin von Osez le féminisme! (Wagt den Feminismus!).

Knapp 30 Millionen Euro stehen der Staatssekretärin für Gleichberechtigung ab 2018 jährlich zur Verfügung, für ressortübergreifende Projekte sind 420 Millionen Euro eingeplant. "Mit 0,007 Prozent des gesamten Haushalts kann Emmanuel Macron nicht so tun, als sei der Kampf gegen Gewalt und Sexismus die große nationale Angelegenheit seiner Amtszeit", sagt Piques. Die vielen Organisationen, die sich ohnehin schon ehrenamtlich und unter schlechten Bedingungen um Opfer kümmern, könnten so nicht ausreichend unterstützt werden. Von den anderen Zielen ganz zu schweigen.

Dass Macron seinen Worten kaum Geld folgen lässt, bekommt vor allem Marlène Schiappa zu spüren, die Staatssekretärin für Gleichberechtigung von Frau und Mann. Und zwar von Anfang an: Erst wurde sie nicht vollwertige Ministerin, wie im Wahlkampf versprochen, dann kürzte Macron ihr Budget um ein Viertel. Keine gute Voraussetzung für jemanden, der eine ganze Gesellschaft verändern möchte. Schiappa plant nicht nur eine Reform des Sexualstrafrechts, sondern will auch das Recht auf Elternzeit ausweiten sowie lesbischen und alleinstehenden Frauen den Zugang zu einer künstlichen Befruchtung ermöglichen. Dass momentan vergleichsweise viele Themen Aufmerksamkeit bekommen, die speziell Frauen betreffen, ist auch ein Verdienst der umtriebigen Politikerin.

"Macron macht ein Gesetz und denkt, das sei genug"

Die 35-Jährige passt perfekt in das Schema, mit dem Macron von Beginn an Wegbegleiter und Personal ausgewählt hat: Sie ist jung, über alle Maßen engagiert und erst seit wenigen Jahren in der Politik. Schiappa wurde mit dem Blog "Maman travaille" (Mama arbeitet) bekannt, auf dem die zweifache Mutter über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schrieb. Ab 2013 saß sie im Stadtrat von Le Mans. Ihr wird viel Durchsetzungswille nachgesagt - und wenig Geschick. Sie kündigte etwa einen Gesetzesentwurf für das kommende Jahr an und zog dies eine Woche später wieder zurück. Oder sie argumentierte mit Zahlen, die eine von ihr gegründete Organisation erhoben hat und die internationalen Studien nicht standhalten. Das Gespräch mit Betroffenen zu suchen und Kompromisse auszuarbeiten scheint nicht ihre Stärke zu sein.

Im kommenden Jahr will Schiappa mit Macrons Unterstützung ein Gesetz gegen Belästigung auf der Straße auf den Weg bringen. Weil stets ein Polizist den Vorfall bezeugen muss, damit es greift, wirkt es auf viele wie reine Symbolpolitik. "Frankreich hat bereits sehr gute Gesetze, die Frauen vor Gewalt schützen sollen", sagt die Feministin und Unternehmerin Caroline de Haas. "Das Problem ist, dass sie oft nicht angewendet werden und die Kontrollinstanzen total überlastet sind." Ein Gesetz, das sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verhindern soll, werde in 80 Prozent der französischen Unternehmen missachtet ohne dass dies Konsequenzen habe.

De Haas glaubt mehr an die Wirkung konkreter Maßnahmen: Der Staat müsste dafür sorgen, dass Polizisten, Ärzte und Richter im richtigen Umgang mit Opfern geschult werden. Außerdem sollten Jugendliche mit dem Thema sexueller Gewalt in Berührung kommen, etwa im Rahmen einer verpflichtenden Veranstaltung an der Schule wie es sie für die Verkehrserziehung gibt. "Doch das ist leider das Problem bei Emmanuel Macron", sagt de Haas. "Er macht ein Gesetz und denkt, das sei genug."

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