Frankreich:Hyperpräsident Macron gibt sich die Ehre

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Emmanuel Macron beim ersten großen TV-Interview seiner Amtszeit. (Foto: AFP (M))
  • Nach fünf Monaten im Amt gibt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sein erstes großes TV-Interview.
  • Drei Journalisten befragen ihn am Sonntagabend live im Élysée-Palast.
  • Es geht um die Arbeitsmarktreformen, Vermögenssteuer, innere Sicherheit - und um Macrons viel kritisierte Art der Amtsausübung.

Von Lilith Volkert

Frankreichs Präsident ist vom Olymp herabgestiegen. Jedes Mal, wenn Emmanuel Macron mit Journalisten spricht, bemühen die französischen Medien das Bild des gönnerhaften Göttervaters. Es kommt ja auch nicht oft vor. Die Interviews, die Macron seit seiner Amtseinführung im Mai gegeben hat, kann man an einer Hand abzählen.

Am Sonntagabend hat der Präsident nun sein erstes großes Interview im Fernsehen gegeben. Zwei Journalisten und eine Journalistin der privaten Fernsehsender TF1 und LCI dürfen ihn 75 Minuten lang live befragen. Acht Kameras fangen die Begegnung in einem seiner Arbeitszimmer im Élysée-Palast ein: Pompöses Ambiente, moderne Gemälde, großer Tisch aus poliertem Beton.

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Das kurzfristig angesetzte Gespräch ist für Macron eine doppelte Herausforderung. Er will den Franzosen offenbar beweisen, mit welcher Ernsthaftigkeit er das Amt ausübt. Macron möchte, das hat er schon öfters gesagt, das Land nicht nur reformieren, sondern vollkommen umbauen. Also gibt er äußerst detailreiche Antworten. Im Eifer, alles möglichst klar und nachdrücklich zu erklären, wirkt er jedoch belehrend bis arrogant.

Gleichzeitig versucht er die bisherigen Entscheidungen, seine weiteren Pläne und auch die eigene Wortwahl zu rechtfertigen. Der 39-Jährige versichert, dass die gerade verabschiedete Arbeitsmarktreform richtig sei, aber erst in anderthalb bis zwei Jahren Früchte tragen werde. Die Abschaffung der Vermögenssteuer für bewegliches Vermögen sei wichtig, um Unternehmer im Land zu halten. Und Macron versichert, sich für einen härteren Abschiebekurs von straffälligen Ausländern einzusetzen, auch wenn es keine absolute Sicherheit vor Terroristen geben könne.

"Gegen eine geschwätzige Präsidentschaft entschieden"

Wichtigstes Gesprächsthema ist aber Macrons gewöhnungsbedürftiger Stil. Viele Franzosen kritisieren die "Hyperpräsidentschaft" eines Mannes, der alles selbst entscheide, sich Journalisten gegenüber kaum äußere und immer wieder abwertende Bemerkungen über einfache Leute mache. Macron hält deutlich mehr öffentliche Reden als seine Vorgänger, gerne an symbolischen Orten und in intellektuell anspruchsvoller Diktion. Bestes Beispiel ist die Vorstellung seiner ambitionierten Reform-Ideen für die EU an der Elite-Uni Sorbonne.

Direkten Austausch zwischen Élysée-Palast und Journalisten gibt es kaum mehr - dabei wären solche Interviews wichtig für Macron, um seine Pläne allen interessierten Bürgern verständlicher zu machen. "Den Medien gegenüber sollte sich ein Präsident rarmachen", hatte Macron in einem am Wochenende erschienen Gespräch mit dem Spiegel gesagt. Sich ständig mit Journalisten zu umgeben, habe nichts mit Volksnähe zu tun.

"Ich habe mich gegen eine geschwätzige Präsidentschaft entschieden", beginnt er das Gespräch am Sonntagabend. "Das Wort des Präsidenten muss etwas Feierliches behalten." Schließlich sollten auch die Stimmen des Premierministers sowie der anderen Mitglieder der Regierung gehört werden.

Ähnlich selbstbewusst und kritikresistent zeigt er sich in der Frage seiner Wortwahl. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat Macron von "Faulenzern" gesprochen, von Demonstranten, die einen "Saustall hinterlassen". Darf ein Präsident so über seine Bürger reden? "Natürlich!" findet Macron. "Ich habe immer versucht, die Sachen beim Namen zu nennen." Geringschätzung will er in diesen umgangssprachlichen Worten nicht erkennen - das hätten Kommentatoren aus dem Kontext gerissen.

Diese Erkenntnis wird wohl beim Großteil der 9,5 Millionen Zuschauer hängen bleiben: Emmanuel Macron sieht weiterhin keinen Grund, seine Worte auf die Goldwaage zu legen. Das wird deutlich, als es um die Vermögenssteuer geht und Macron die "französische Eifersucht" auf die Reichen kritisiert. Das ist eine Steilvorlage für die linke Opposition um Jean-Luc Mélenchon von "La France Insoumise" und alle anderen, die in dem ehemaligen Investment-Banker einen "Präsidenten der Reichen" sehen.

Offenbar ist Macron so überzeugt von seinem Kurs, dass ihn das nicht kümmert. Oder er ist sich nicht bewusst, dass ihn arrogantes Verhalten die Unterstützung der Franzosen kosten könnte, die er doch für den Umbau des Landes so dringend braucht.

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