Verhaftete Journalisten der türkischen Zeitung Cumhuriyet haben den Staats- und Regierungschefs der EU einen Brief geschrieben. "Respektvoll" erinnern sie darin an gemeinsame Werte und erbitten Solidarität. Doch den Autoren war vermutlich von vorneherein klar, dass die Chefs sich durch ihr Schicksal den EU-Türkei-Gipfel nicht würden verderben lassen. Solidarität? Ja, klar: Die Europäer möchten, dass die Türken für sie ganz solidarisch das Flüchtlingsproblem lösen.
Cumhuriyet:Verhaftung von türkischen Journalisten: Mehr als ein Angriff auf die Pressefreiheit
Die linksliberale Zeitung "Cumhuriyet" berichtete über mutmaßliche türkische Waffenlieferungen an den IS. Das muss sie nun büßen.
Unter dem Druck der Krise scheinen die EU-Staaten beweglich geworden zu sein. Sie öffnen ihre Börse, sie wecken Hoffnung auf Visa-Erleichterungen, sie versprechen neuen Schwung für die Beitrittsverhandlungen und scheren sich wenig um Pressefreiheit und unabhängige Justiz. In Wahrheit haben die Türkei und die EU in Brüssel einen Pakt der Verlogenheit geschlossen. Mit echter Partnerschaft hat er nichts zu tun.
Flüchtlingskrise:EU vereinbart Gegengeschäft mit der Türkei
Einigung in Brüssel: Ankara soll mehr Flüchtlinge im Land behalten und die Grenzen schützen. Europa macht nicht nur finanziell weitreichende Zugeständnisse.
Nun geht es darum, ob das alles wenigstens seinen Zweck erfüllt. Darum, ob die türkische Regierung willens und in der Lage sein wird, den Zug der Flüchtlinge gen Europa zu bremsen. Voraussetzung ist, dass sich die Lage der Syrer in der Türkei substanziell verbessert und dass in großem Umfang legale Wege in die EU geebnet werden. Wenn nun tatsächlich ein großes EU-Kontingent für Flüchtlinge aus der Türkei geschaffen würde, so wäre zumindest das eine ehrliche Sache.