Fleischlose Nahrungsmittel:Kampf der Lügenwurst!

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Vegane Currywurst: Wenn es nach Minister Schmidt geht, dürfte dieses fleischlose Nahrungsmittel nicht mehr Wurst heißen. (Foto: dpa)

CSU-Agrarminister Schmidt will verbieten, dass vegetarische Schnitzel Schnitzel heißen dürfen. Damit zettelt er eine Revolution an - die aber vor allem seine Heimat Bayern umkrempeln würde.

Glosse von Oliver Das Gupta

Die CSU ist konservativ und modern zugleich, das merkt man in diesen Tagen ganz besonders. Konservativ ist zum Beispiel, dass die Partei romantische Weihnachtspostkarten an Journalisten verschickt (anders als andere Regierungsparteien). Modern ist, dass die CSU mitunter ziemlich revoluzzerhaft agiert (auch anders als andere Regierungsparteien). Revolution macht die CSU freilich nur, um Recht und Ordnung herzustellen, wie nun Christian Schmidt zeigt.

Den Bundeslandwirtschaftsminister muss über die Feiertage große Pein überkommen haben: In der weihnachtlichen Ruhe sinnierte er wohl darüber, was bei der CDU und SPD schon vor einigen Wochen Thema war: vegetarische Schnitzel und vegane Currywurst. Dinge, deren Namen ihn irreführen und verunsichern. Sind das nicht quasi Fakenews beim Fleisch? Wie viele Landsleute würden im guten Glauben aus Versehen solch ein Gutmenschennahrungsmittel verspeisen?

Christian Schmidt muss sofort klar geworden sein: Es muss etwas passieren - Deutschland muss vor Lügenwurst und Lügenfleisch geschützt werden. Nicht warten, was SPD und CDU in irgendwelchen Anträgen schreiben, sondern einfach machen. Wer, wenn nicht er, könnte diese Mammutaufgabe stemmen?

Also sprach der CSU-Politiker: Bezeichnungen wie "vegetarisches Schnitzel und "vegane Currywurst" seien "irreführend" und würden die Verbraucher "verunsichern". Man dürfe nicht "bei diesen Pseudo-Fleischgerichten so tun, als ob es Fleisch wäre". Er möchte, dass solche Produktnamen verboten werden - jawohl: VERBOTEN!

Schmidt ist also ein Mann, der die Wahrheit liebt. Dafür zettelt er sozusagen eine nahrungsnamenmäßige Revolution an, die vor allem seine Heimat Bayern umkrempeln wird.

Denn die fleischlosen Currywürste sind ja nur der Anfang. Was ist mit Lachsschinken - ist da etwa Fisch drin? Und im Leberkäse, besteht der aus Leber und Käse? Kommt in den Bauernseufzer etwa ein Stück Landwirt rein und in einen Hamburger ein Hamburger? Warum ist in Kalbsleberwurst mächtig viel Schwein enthalten? Wie kommen die Gebäcksorte Almnüsse ohne Nüsse aus, Schneebälle ohne Schnee und Bienenstich ohne Bienen? Wie ehrlich sind die Bezeichnungen Fleischpflanzerl, Stockwurst und Fleischtomaten? Außerdem - Fixluja! - denkt doch jedes gstandene Mannsbild beim Wort "Hackschnitzel" an ein saftiges Stück totes Tier statt an geschreddertes Holz.

Ein neuer Markenkern für die Union

Schmidt stimmt an diesem nachrichtenarmen Tag die Klage über die Lügenwurst an - und eröffnet den Kampagnenreigen zum Bundestagswahljahr 2017. Denn in dem Thema steckt ja so viel drin: die Bodenständigkeit des deutschen Rindviehs, der Abwehrkampf gegen sojahaltige Nahrungsnovellen, das Aufbegehren gegen das Essens-Establishment der ergrünten Großstädter.

Mit einem Wort: ein neuer Markenkern der Union. Und Christian Schmidt hat ihn herausgeschält. Vielleicht wird der wohl momentan unbekannteste Bundesminister bald ein Polit-Star, ein fester Bestandteil von Talkshows, ein Zugpferd im Wahlkampf, der Matchwinner der Union.

Dann werden sie Christian Schmidt vielleicht auf der Straße erkennen, und die Union wird wissen: Alles begann mit diesem Schmidt' schen Wurstgedanken vorm Christbaum.

Am Ende wird der Minister mit seinem fränkischen Landsmann Markus Söder in einem Nürnberger Wirtshaus beisammensitzen. Sie werden die Revolution der Wurst-Wahrheit feiern, natürlich traditionsbewusst. Bei heimischem "Domina" und einem "Blonden Baron" in den Gläsern, denn so schmeckt das "Schäufele" besonders delikat.

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