Finnland im Zweiten Weltkrieg:Der Feind in meiner Botschaft

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Das amerikanische FBI spähte die finnische Vertretung in Washington während des Zweiten Weltkriegs umfassend aus. Das geht aus den Akten des "Special File Room" des FBI hervor. Die Agenten besaßen sogar Informationen aus dem Inneren der Botschaft.

Von Jarkko Sipilä

Das Interesse der Vereinigten Staaten an der Arbeit der finnischen Botschaft scheint im Spätsommer 1942 zu erwachen. Der Anlass ist eine Frage unter Diplomaten, die dem FBI verdächtig vorkommt: Das finnische Außenministerium will vom Konsulat in San Francisco wissen, ob eine bestimmte Frau aus San Jose in Kalifornien noch am Leben sei. Das genügt, um die Agenten einen geheimen Spionagering wittern zu lassen.

Zu diesem Zeitpunkt war das FBI noch nicht in der Lage, den Geheimcode der finnischen Diplomaten zu entschlüsseln. Allerdings war es der US-Militäraufklärung bereits gelungen, Teile davon zu knacken. Am Anfang konzentrierte sich das FBI lediglich auf Nachrichten, die von Horchposten in New York abgefangen wurden. Kurz darauf legten die Agenten in der Washingtoner Pennsylvania Avenue eine eigene Akte zu Finnland an.

Das Material, das die Amerikaner aus der finnischen Botschaft in Washington abfingen, datiert vor allem auf das Frühjahr 1943. Zwischenzeitlich gelang es dem FBI, auch verschlüsselte Nachrichten zwischen der Washingtoner Botschaft und dem Außenministerium in der finnischen Hauptstadt Helsinki abzufangen - wie genau, ist nicht bekannt. Um entsprechende Nachrichten mitzulesen, nutzten die Agenten fortan jedenfalls nicht mehr den Horchposten im entfernten New York, sondern Empfangsgeräte in Washington selbst.

Woher stammen die Fotos aus der Botschaft?

Ein Dokument aus der Finnland-Akte des FBI enthüllt, dass die Amerikaner früh darüber Bescheid wussten, dass Finnland in den vierziger Jahren zwei unterschiedliche Verschlüsselungsmaschinen im Einsatz hatte: die Modelle Häglin C-36A und C-362. Der Unterschied bestand darin, dass die eine Maschine den vertraulichen Text in Blöcke aus fünf Buchstaben oder Ziffern umwandelt, während die andere die Nachrichten in Blöcke aus vier Zeichen chiffriert.

Die Akten legen auch offen, welche Schwierigkeiten die FBI-Agenten mit dem Entschlüsseln hatten. So geht aus einem Dokument klar hervor, dass es dem FBI nach Mai 1943 nicht mehr gelang, vertrauliche finnische Botschaftsnachrichten zu decodieren - die Finnen hatten zwischenzeitlich ihren Schlüssel erneuert. Zugleich erhielten die Amerikaner allerdings auch Informationen direkt aus dem Innern der finnischen Botschaft, das belegt ein internes FBI-Dokument, das von Gründer John Edgar Hoover persönlich unterzeichnet ist.

Die Agenten verfügten demnach über Fotografien der Chiffrieranlagen, die von den finnischen Diplomaten eingesetzt wurden. Wie das FBI an die Bilder gelangt ist, bleibt unklar. Es scheint unwahrscheinlich, dass ein hoher Botschaftsmitarbeiter als Informant fürs FBI arbeitete, da die Quelle versiegte, nachdem der Code im Mai 1943 erneuert wurde.

Angst vor Spionage aus Berlin

Das FBI fing darüber hinaus auch geheime Nachrichten zwischen Helsinki und der Botschaft in Washington im Zusammenhang mit einem vertraulichen Friedensangebot ab, das die amerikanische Regierung Finnland zur Kenntnis gegeben hatte.

Im Zweiten Weltkrieg war Finnland an der Seite Deutschlands, allerdings erklärten die USA Helsinki nie den Krieg. Die Deutschen hatte gerade in Stalingrad eine schwere Niederlage erlitten, als der amerikanische Botschafter in Helsinki, Robert McClintock, sein Memorandum präsentierte. Allerdings wies die finnische Regierung den Vorschlag zurück - Historikern zufolge hatte sie vermutlich Bedenken, dass die Deutschen die verschlüsselten Nachrichten abfangen und einen positiven Bescheid auf das Angebot der Amerikaner als Verrat auffassen könnten.

Vor diesem Hintergrund tauschten Helsinki und die Botschaft in Washington etliche geheime Nachrichten aus - viele wurden vom FBI mitgelesen. Ein Dokument verdeutlicht, dass die Amerikaner in den Augen der finnischen Diplomaten glaubten, dass die finnische Regierung nicht länger das Volk repräsentiere.

Zuvor hatte Außenminister Henrik Ramsay das amerikanische Friedensangebot an Berlin weitergegeben und wurde vom Hitler-Regime unter Druck gesetzt, es zurückzuweisen. FBI-Chef Hoover leitete diese Erkenntnisse ans amerikanische Außenministerium weiter, das wiederum den Botschafter in Helsinki, McClintock, über die Einschätzungen Finnlands informierte.

Jefferson zitieren, ohne Jefferson zu nennen

Und auch als Vertreter der finnischen Botschaft in Washington im April 1943 zu einer Feier anlässlich des 200. Geburtstags des amerikanischen Gründervaters Thomas Jefferson eingeladen worden waren, hörte das FBI mit, was zwischen der Botschaft und Helsinki gekabelt wurde. Der finnische Botschafter in Washington bat seine Regierung in Helsinki nach dem Eingang der Einladung, bei nächster Gelegenheit doch irgendwie Thomas Jefferson und seine Worte zur Bedeutung der Freiheit zu zitieren, das käme gut an.

Der Name Jefferson sollte dabei gewiss nicht fallen, das wäre zu auffällig gewesen. Aber allein die Worte würden doch die Einstellung der USA zu Finnland gewiss verbessern, meinte der Botschafter. Allein, es brachte nichts. Die finnische Botschaft in Washington war nur noch etwa ein Jahr in Betrieb. 1944 brachen die Länder ihre diplomatischen Beziehungen zueinander ab.

Dieser Text erschien ursprünglich bei MTV Finnland. Aus dem Englischen von Kim Björn Becker.

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