FDP: Finanzexperte Wissing:Hoffen auf Merkel - "es wird zu viel zerredet"

FDP-Finanzexperte Volker Wissing über die Sehnsüchte der Liberalen, die Probleme der Koalition und die Gedankenspiele der FDP über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

Thorsten Denkler, Berlin

Zum ersten Mal in den acht Monaten der schwarz-gelben Regierung besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel die FDP-Fraktion. Die mühsame Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten, der Zwist um die Gesundheitsreform und die Steuerpolitik - es gibt einiges zu besprechen. FDP-Finanzexperte Volker Wissing freut sich über die Geste zur Gesprächsbereitschaft.

Volker Wissing, FDP

Volker Wissing, FDP

(Foto: FDP)

sueddeutsche.de: Herr Wissing, Kanzlerin Angela Merkel wird an diesem Dienstagnachmittag erstmals der FDP-Fraktion Rede und Antwort stehen. Wird das jetzt endlich der Neuanfang, auf den die schwarz-gelbe Regierung seit Monaten wartet?

Volker Wissing: Dass die Bundeskanzlerin uns besucht und sich der Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen stellt, ist eine von der FDP-Fraktion ersehnte Geste. Wir freuen uns, dass sie dieses Zeichen zu einem gemeinsamen Willen setzt.

sueddeutsche.de: An solchen Zeichen mangelt es im Grunde seit dem Start der Regierung. Warum ist das so?

Wissing: Die größten Schwächen der Koalition liegen meines Erachtens im kommunikativen Bereich. Es ist nicht gelungen, die gemeinsamen Erfolge geschlossen zu kommunizieren. Es wird zu viel zerredet. Ich hoffe, dass wir jetzt dazu übergehen, durch Handeln zu überzeugen und nicht durch Ankündigungen.

sueddeutsche.de: Es gibt in der FDP den Verdacht, dass die Union, zumindest aber die CSU, alles dran setze, die FDP möglichst kleinzuhalten. Nach jüngsten Umfragen scheint der Plan aufzugehen. Welchen Anteil hat die Kanzlerin an dieser Strategie?

Wissing: Gemeinsamer Erfolg ist nur auf der Grundlage eines gemeinsamen Vertrauens möglich. Sich gegenseitig zu verdächtigen, halte ich für eine schlechte Basis.

sueddeutsche.de: Hat die Kanzlerin also das volle Vertrauen der FDP-Fraktion?

Wissing: Sollte das Vertrauen nicht auf beiden Seiten vorhanden sein, gibt es nicht die Chance des Erfolgs.

sueddeutsche.de: Das beantwortet nicht die Frage.

Wissing: Ich halte die Position der Bundeskanzlerin gegenüber der FDP für voll vertrauenswürdig. Die Bundeskanzlerin hat sich bisher ganz klar zu dieser Koalition bekannt. Darum habe ich das Vertrauen, dass wir jetzt auch gemeinsam umsetzen, was wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben.

"Wir müssen zu unserem Kurs stehen"

sueddeutsche.de: Die FDP steckt in dem Dilemma, dass ihre Steuerversprechen bei einem Teil ihrer Wähler vom vergangenen Herbst nicht mehr verfangen, andere monieren, dass die FDP bisher zu wenig durchsetzen konnte. Wie wollen Sie das lösen?

Wissing: Dieses Kommunikationsproblem können wir nur lösen, indem wir ganz klar liberale Politik machen. Die Finanzmarktkrise, die uns vor massive Konsolidierungsaufgaben gestellt hat, führt ja nicht dazu, dass sich die Probleme im Steuersystem in Luft aufgelöst haben. Wir müssen nach wie vor das Steuersystem vereinfachen und nach wie vor müssen wir etwas für die vergessene Mitte tun, die im Steuerrecht über Gebühr belastet wird.

sueddeutsche.de: Dann dürfte Sie doch nichts gegen einen höheren Spitzensteuersatz haben, um so den Freiraum für Steuersenkungen bei mittleren Einkommen zu bekommen.

Wissing: Ich bin klar dagegen. Der Spitzensteuersatz betrifft ja nicht nur Privatpersonen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmer. Er greift bereits ab 52.800 Euro Jahreseinkommen. Der Spitzensteuersatz ist ein Steuersatz der Mitte. Wenn wir diese Position gegen alle Widerstände verteidigen, gewinnen wir als Liberale auch wieder Vertrauen. Wir müssen zu unserem Kurs stehen. Die zum Teil selbstverschuldeten Verwirrungen dürfen sich nicht wiederholen.

sueddeutsche.de: Zu den Verwirrungen gehört, dass Unionspolitiker und einige FDP-Politiker die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für ein probates Mittel halten.

Wissing: Die Debatte hat uns darin bestätigt, dass wir eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung brauchen. Freiberufler, kleine und mittelständische Personengesellschaften zahlen jetzt schon höhere Steuern als Kapitalgesellschaften. Wir waren angetreten, streng zu trennen zwischen privatem und unternehmerischem Einkommen. Dann hätten wir auch die nötige Flexibilität bei der Einkommensteuer.

sueddeutsche.de: Das heißt, der erste Schritt aus Sicht der FDP wäre die Trennung von privatem und unternehmerischem Einkommen. In einem zweiten Schritt könnten dann die Einkommensteuertarife aufkommensneutral umgebaut werden?

Wissing: Das ist richtig. Fest steht aber, dass wir die Einzigen sind, die diesen strukturellen Reformschritt einfordern, der zuerst kommen muss. Wir verweigern uns deshalb einer isolierten Diskussion über Spitzensteuersätze.

sueddeutsche.de: Wenn der Spitzensteuersatz nur für Privatpersonen gelten würde, dann ließe die FDP also mit sich über eine Erhöhung reden?

Wissing: Dann wären wir in der Ausgestaltung der Steuersätze flexibler. In dieser Legislaturperiode lehnt die FDP aber jede Einkommensteueranhebung ab.

sueddeutsche.de: Offenbar mehr aus prinzipiellen als aus inhaltlichen Erwägungen.

Wissing: Nein, wir wollen erst die Strukturveränderungen. Solange wir damit alleine stehen, ist das andere nicht möglich.

sueddeutsche.de: Glauben Sie, dass die Kanzlerin Ihnen in diesen Fragen eine klare Linie für die Union präsentieren kann? An der hat es bisher ja auch gefehlt.

Wissing: Es ist eine gemeinsame Aufgabe der Bundesregierung, mit einer Stimme zu sprechen. Es kann nicht sein, dass die Meinungen in so zentralen Fragen derart vielfältig sind. Ich gehe davon aus, dass die Bundeskanzlerin uns ein klares Signal der Geschlossenheit geben wird.

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