Fatwa gegen iranischen Sänger Shahin Najafi:E-Mail aus Teheran

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100.000 Dollar Kopfgeld: Gegen den aus Iran stammenden Kölner Musiker Shahin Najafi haben schiitische Ayatollahs eine Fatwa verkündet - per E-Mail. Auch aus dem Umfeld des Münchner Konsulats habe man die Mail weitergeleitet, heißt es. Steckt also das Regime dahinter?

Klaus Ott

100.000 Dollar beträgt das Kopfgeld, das via Internet auf Shahin Najafi ausgesetzt ist. Von religiösen Fundamentalisten, die den iranischen Revolutionsgarden nahestehen sollen. Der aus Iran stammende Sänger, der in Deutschland lebt, soll in einem seiner Songs einen islamischen Heiligen beleidigt haben. Schiitische Ayatollahs haben deshalb eine Fatwa gegen ihn verkündet, eine Art Urteil also, das den Sänger für vogelfrei erklärt. Najafi steht unter Polizeischutz. Er hält sich irgendwo fernab von Köln auf, seinem eigentlichen Wohnort. Er versteckt sich. Etwas anderes bleibt ihm nicht übrig.

Im Frühjahr erhielten in Deutschland ansässige Iraner eine E-Mail, die über mehrere Stationen aus Teheran gekommen sein soll. Mit der elektronischen Post wurde die Fatwa verbreitet und der Sänger zum "Verdammten" erklärt. Absender war nach Angaben des bayerischen Justizministeriums ein früherer Mitarbeiter des iranischen Generalkonsulats in München, der inzwischen in seine Heimat zurückgekehrt sei. Das habe die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt. Dieser Mann habe für die E-Mail-Aktion "seine Kenntnisse als Ex-Mitarbeiter des Konsulats genutzt", so das Ministerium.

Sollten Iraner, die mit dem Konsulat in München zu tun haben und deshalb dort erfasst sind, so auf den Kampf gegen Andersdenkende und Abweichler eingeschworen werden? Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hat die E-Mail-Aktion nach Angaben ihres Ressorts jetzt bei einem Treffen mit dem iranischen Generalkonsul in München, Khalil Khalili Amiri, angesprochen. Merks Standpunkt ist eindeutig: "Es geht nicht an, dass Mitarbeiter einer diplomatischen Vertretung ihre in dieser Eigenschaft erlangten Kenntnisse nutzen, um Fatwas zu verbreiten, die Menschen hier in Deutschland in Gefahr bringen", sagte die Ministerin der Süddeutschen Zeitung. "Das können wir so nicht akzeptieren."

Bereits im Frühjahr, als die Staatsanwaltschaft zu ermitteln begann, hatte Merk die Verbreitung der Fatwa in Deutschland per E-Mail als "unerträglich" bezeichnet. Man werde es nicht dulden, dass hierzulande "islamisches Recht exekutiert wird". Dem müsse man in einem freiheitlichen Rechtsstaat Einhalt gebieten. "Ich dulde keine Form der Paralleljustiz in Deutschland." Die iranische Botschaft in Berlin dementiert heftigst, dass eigene Dienststellen irgendetwas mit dieser Mail-Aktion zu tun haben könnten. Die Behauptung, ein aktives oder ehemaliges Mitglied des Münchner Konsulats habe solche E-Mails verschickt, "entbehrt jeder Wahrheit". Das seien "verfälschte E-Mails".

Die Botschaft teilte auf Anfrage mit, Ministerin Merk habe bei dem Gespräch mit dem Generalkonsul geäußert, der Inhalt der E-Mails sei "juristisch nicht anfechtbar", da dieser nicht als Mordaufruf bewertet werden könne. Es werde nur dazu aufgefordert, das betreffende Lied von Najafi nicht anzuhören. Die Botschaft erklärte sogar noch, es sei nie eine Fatwa "persönlich gegen Najafi" ausgestellt worden. Gibt es also gar keine Fatwa? War alles nur ein Missverständnis? Nein, sagt Najafis Manager, der nicht mit seinem Namen genannt werden will. "Das ist eine Lüge." Vier Fatwas seien ausgesprochen worden. Zwei Mal sei Najafi persönlich genannt, zwei Mal sei er so beschrieben, dass jeder wisse, wem das gelte. Dass die Botschaft nun sage, es gebe keine Fatwa, biete "keine Sicherheit" für den Sänger, so sein Manager. Ein solches Verdikt könne man im schiitischen Glauben nicht einfach zurücknehmen. Und jeder, der etwas gegen den "Verdammten" unternehme, könne sich zu seiner Rechtfertigung darauf berufen, sagt der Manager.

Najafi will sich nicht einschüchtern lassen. Er sagt, er werde weiterhin Lieder schreiben und demnächst auch wieder Konzerte geben. "Wir müssen wenigstens in der westlichen Gesellschaft dafür sorgen, dass sich so ein Fall nicht wiederholt. " Das erreiche man nur, wenn man gegen Unterdrücker klar Stellung beziehe, sagte Najafi. Ihm steht der Schriftsteller Günter Wallraff zur Seite. Wallraff vermisst die Unterstützung der Bundesregierung, insbesondere von Guido Westerwelle (FDP). "Unser Außenminister ist gefordert, hier endlich klar Stellung zu beziehen und zumindest den iranischen Botschafter einzubestellen", sagt der Schriftsteller.

Wallraff hält die E-Mail-Aktion nicht für einen Zufall. "Da wird gezielt gegen Najafi agiert." Dass die Botschaft behaupte, es gebe gar keine Fatwa, bezeichnet der Schriftsteller als "doppeltes Spiel". Das iranische Regime habe sich ja auch nie zu den mehr als 160 Morden des Geheimdienstes an Regimegegnern im Ausland bekannt. Auch in Deutschland lebende Iraner halten die Attacken auf den Sänger für gesteuert. Das sei eine "Hetzjagd". Auf Dauer verstecken will sich Najafi aber nicht. Im Herbst ist nach Angaben seines Managers eine Tournee in den USA geplant. Der radikale Islamismus und der iranische Geheimdienst seien in Europa viel stärker präsent als in den USA. Deshalb werde man zunächst Konzerte in Übersee veranstalten, sagt der Manager.

Auch in Europa möchte Najafi wieder auftreten. Denn sonst würden die Fanatiker den Sänger mundtot machen und so ihr Ziel erreichen, sagt sein Manager. "Das wäre eine traurige Niederlage für die freie Kunst." Die iranische Botschaft sieht das ganz anders. Dort hofft man auf Mitgefühl für die Millionen Muslime, die durch Najafis "infame Verse zutiefst beleidigt und verletzt worden sind".

© SZ vom 12.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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