Farc-Partisanin Tanja Niemeijer:Aus Holland in den Dschungel

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Sie schrieb noch ihre Abschlussarbeit fertig, dann flog sie nach Kolumbien und legte Bomben: Seit zehn Jahren kämpft die Niederländerin Tanja Nijmeijer für die Farc. Jetzt verhandelt sie für die Rebellen über ein Friedensabkommen - eine Sensation.

Frederik Obermaier

Es war nur ein knapper Satz, den Farc-Anführer Timochenko einem Journalisten am Telefon sagte, doch er war eine kleine Sensation: Tanja Nijmeijer werde Teil jener Gruppe sein, die von dieser Woche an mit der kolumbianischen Regierung über ein Friedensabkommen verhandelt. Vor zehn Jahren hat sich die junge Niederländerin den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) angeschlossen, Südamerikas ältester aktiver Guerillagruppe. Sie hat Bomben gelegt und mutmaßlich auch Menschen getötet. Ihre Mutter flog mehrmals nach Kolumbien, versuchte ihre Tochter zur Aufgabe zu bewegen. Vergebens. "Ich bleibe Rebellin, bis zum Sieg oder bis zum Tod", beharrte die mittlerweile 34-jährige Nijmeijer vor nicht allzu langer Zeit in einem Video.

Die Niederländerin ist eine von ein paar Dutzend Ausländern, die in den Reihen der Farc vermutet werden. Ihre Geschichte ist die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Idealismus in die Arme der Guerilla führte. Ausgerechnet sie soll nun mit der kolumbianischen Regierung über Bedingungen für ein Ende des Bürgerkriegs sprechen.

Infiziert von "Fieber der Revolution"

Nijmeijer war 2000 zum ersten Mal nach Kolumbien gekommen. In Pereira, einer schwül-warmen Stadt in der Kaffeezone des Landes, machte sie ein Praktikum an einer Privatschule. Sie brachte den Söhnen und Töchtern wohlhabender Unternehmer Englisch bei. In ihrer Freizeit besuchte sie die barrios populares, die Slums der Stadt. Nijmeijer, so erzählen es ihre ehemaligen Kollegen, litt an der krassen Ungleichheit zwischen Arm und Reich in Kolumbien. Sie suchte Kontakt zur Guerilla.

Infiziert vom "Fieber der Revolution", wie sie es selbst nannte, reiste Nijmeijer zurück in die Niederlande, schrieb ihre Abschlussarbeit, dann flog sie wieder nach Kolumbien. Sie trat den Farc bei. Aus Tanja Nijmeijer wurde "Alexandra" oder schlicht "La Holandesa", die Holländerin. In den Personalakten der Farc wird sie als Nummer 608372 geführt. Als Tarnung arbeitete sie tagsüber als Englischlehrerin, nachts sprengte sie in Bogotá Geschäfte und Polizeistationen in die Luft. "Mit der Farc zu arbeiten, heißt Bomben zu legen", erklärte Nijmeijer Jahre später in einem Interview.

Schwanken zwischen Zweifel und Begeisterung

Als ihre Gruppe aufflog, ging Nijmeijer in den Dschungel. Sie schloss sich dem Kommando Frente Antonio Nariño an und übersetzte Texte für den Chefplaner der Farc. Ihr romantischer Traum vom Leben als Rebellin, als Kämpferin für die Schwachen, wich jedoch der Realität. Sie schien zu begreifen, dass die Farc längst keine arme Bauernarmee mehr sind, sondern eine Gruppe, die sich mit Drogenhandel und Entführungen finanziert. "Ich weiß nicht, wohin dieses Projekt führt", schrieb sie in ihr Tagebuch. "Wie wird es sein, wenn wir an der Macht sind? Die Frauen der Kommandanten in Ferrari Testarossas, mit Brustimplantaten, Kaviar speisend?" Seitenweise dokumentierte Nijmeijer ihre Zweifel, aber auch ihre Begeisterung: "Die Farc sind mein Leben, meine Familie." Als die kolumbianische Armee ihr Lager angriff, ließ Nijmeijer das Tagebuch zurück. Zum ersten Mal erfuhr die Öffentlichkeit so von der Europäerin, die einen Kampf kämpft, der eigentlich nicht ihrer ist.

Nijmeijer war plötzlich berühmt, Bücher wurden über sie geschrieben, ihr Leben verfilmt. Ursprünglich hätte Nijmeijer diese Woche nach Norwegen reisen sollen. Dort eröffneten Vertreter von Farc und kolumbianischer Regierung am Donnerstag bei einer Pressekonferenz offiziell die Friedensverhandlungen. Nijmejier jedoch war nicht da. Sie soll erst in einigen Tagen auf Kuba, wo die Gespräche fortgesetzt werden sollen, zu ihrer Delegation stoßen. Grund für die verspätete Anreise soll ein internationaler Haftbefehl sein. Denn neben Kolumbien würden auch die USA sie gerne vor Gericht stellen - sie soll an der Entführung von drei Amerikanern beteiligt gewesen sein. Einer von ihren beschrieb Nijmeijer nach seiner Freilassung als kaltblütige "Möchtegern-Revolutionärin". Auf die Frage was bei einem Befreiungsversuch mit ihm geschehe, habe sie geantwortet: "Wir töten jeden."

© SZ vom 19.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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