EZB-Entscheidung zum Anleihenkauf:Merkel duldet Draghis Rettungsprogramm

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Das Kaufprogramm für Anleihen aus Krisenstaaten sorgt in der schwarz-gelben Koalition für Verstimmungen. Mehrere Abgeordnete aus FDP und Union erwägen sogar eine Klage gegen die Europäische Zentralbank. Kanzlerin Merkel hält sich mit Kritik hingegen zurück.

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), unbegrenzt Staatsanleihen aus Krisenstaaten aufzukaufen, stößt in Deutschland auf scharfe Kritik. Nicht nur Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte sich öffentlich mehrfach dagegen ausgesprochen, auch aus den Reihen der Regierung gibt es heftigen Widerstand. Abgeordnete von Union und FDP brachten gar eine Klage ins Spiel, um einen Verstoß gegen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB zu prüfen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel reagiert zurückhaltend, äußerte aber bei einem Besuch in Wien auch keine klare Kritik am Vorgehen von EZB-Präsident Mario Draghi. Die EZB habe deutlich gemacht, "dass die Zukunft des Euro ganz wesentlich durch politisches Handeln bestimmt wird und dass die Konditionalität ein ganz wichtiger Punkt ist", sagte Merkel nach einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Faymann.

Die Bundeskanzlerin bezog sich darauf, dass Euro-Krisenländer nach der EZB-Entscheidung zuerst einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds stellen müssen, bevor die EZB sie mit dem Kauf von Anleihen unterstützt. Weiter sagte Merkel, dass die Zentralbank eine unabhängige und starke Institution sei.

Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Euro-Krise müssten gemeinsam politisch gelöst werden, sagte Merkel. Dabei spiele die EZB "mit ihrer eigenständigen Verantwortung" ihre Rolle.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bezeichnete die EZB-Entscheidung als "wirksame" Antwort auf die Euro-Krise. Zugleich verlangte er von Krisenländern wie Griechenland "Resultate".

Merkel will Spardiktat für Griechen vorerst nicht lockern

Die EZB hatte am Donnerstag beschlossen, unter strengen Bedingungen unbegrenzt Staatsanleihen mit kurzer und mittlerer Laufzeit von Euro-Krisenländern aufzukaufen. Staaten wie Spanien und Italien leiden derzeit unter hohen Zinsen, wenn sie sich an den Finanzmärkten Geld leihen, und versprechen sich durch ein Eingreifen der EZB Besserung.

Die Krtiker der EZB-Entscheidung in Deutschland sorgen sich vor einer zu mächtigen Position der Notenbank. SPD und Linke beklagten, es fehle an parlamentarischer Kontrolle der Frankfurter Institution. Ob die Zentralbank Anleihen aufkaufe und zu welchen Bedingungen, darauf habe das Parlament keinerlei Einfluss, sagte der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider. "Die Machtarchitektur in der Europäischen Union ist komplett gedreht. Keiner kontrolliert die Europäische Zentralbank", so der SPD-Politiker.

Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, beklagte ebenfalls, viele Entscheidungen liefen in der Eurokrise "am Parlament vorbei und gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung". Nun könne es sein, dass die Bürger für die aufgekauften "Schrottpapiere" haften müssten. Draghi sei "nicht der Retter Europas, sondern ein Bodyguard für die Profite der Banken und Hedgefonds".

Kritik an "Staatsfinanzierung durch die Notenpresse"

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hieß die Pläne der Europäischen Zentralbank zur Eindämmung der Euro-Krise dagegen grundsätzlich gut. "Ich begrüße, dass anders als beim bisherigen Kauf von Staatsanleihen durch die EZB künftig klare Bedingungen und Voraussetzungen definiert werden sollen", sagte Hundt der Süddeutschen Zeitung. Es sei richtig, erst dann zugunsten eines Landes zu intervenieren, wenn die betroffene Regierung einen förmlichen Hilfsantrag beim künftigen Euro-Schutzschirm ESM gestellt und sich zur Umsetzung von Reformen verpflichtet habe. "Trotzdem darf die EZB keine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse betreiben", betonte der Arbeitgeberchef. Vielmehr müsse sie die Einhaltung aller Auflagen strikt überwachen und zur Voraussetzung ihres Handelns machen.

Dagegen bezeichnete es der stellvertretende Unions-Fraktionschef Johannes Singhammer (CSU) gegenüber der SZ als "unerträglich, dass die Bundesbank im EZB-Rat bei den entscheidendsten Weichenstellungen niedergestimmt wird". Deutschland müsse als mit Abstand größter Garantiegeber ein Vetorecht in den Gremien der Europäischen Zentralbank erhalten.

Auch FDP-Chef Rainer Brüderle hatte die EZB-Entscheidung zuvor "grenzwertig" genannt. Die Zentralbank dürfe sich nicht dauerhaft in die Finanzpolitik einmischen, sie sei für die Geldwertstabilität zuständig.

Mehrere Abgeordnete aus den Reihen der Koaltion erwägen darüber hinaus juristische Schritte gegen die EZB. "Es ist in der Tat zu erwägen, ob hier nicht mal rechtlich überprüft werden muss, ob die EZB hier ihr Mandat massiv überschreitet", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch im Deutschlandfunk. Zuvor hatten bereits der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler und der hessische Europaminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) von der Bundesregierung die Prüfung einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefordert.

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