Europäische Union:EU-Kommissionspräsident: "Es brennt an allen Ecken und Enden"

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Die EU muss nicht nur eine Krise bewältigen, sagt Juncker. (Foto: AFP)
  • Eines der größten Probleme ist das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, das noch von den Niederlanden ratifiziert werden muss.
  • Es wird erwartet, dass die Sanktionen gegen Russland wegen des Ostukraine-Kriegs verlängert werden.
  • Noch vor dem Abendessen muss die britische Premierministerin May den Gipfel verlassen, dann wird über den Brexit beraten.

Von Daniel Brössler, Thomas Kirchner und Alexander Mühlauer, Brüssel

Wenn die Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag zum EU-Gipfel nach Brüssel kommen, sollten sie sich vorsehen. "Wir bewegen uns in einem Minenfeld", beschreibt ein EU-Beamter die Vorbereitungen des Treffens. Zwar herrscht bei vielen zentralen Themen weitgehender Konsens. So werden die Staats- und Regierungschefs eine verstärkte EU-Zusammenarbeit in der Verteidigung beschließen und sich diesmal wohl auch nicht über die Migrationspolitik zerstreiten. Die Minen lauern anderswo - kurz vor Jahresende soll endlich ein Problem gelöst werden, das die höchsten EU-Politiker seit Monaten vor sich herschieben.

Es geht um das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. In allen Mitgliedstaaten ist es bereits ratifiziert - außer in den Niederlanden. Dort hatten die Bürger das Abkommen im April per Referendum abgelehnt. Nun soll ein Kniff helfen: eine rechtsverbindliche Erklärung aller Staats- und Regierungschefs, die alle Sorgen der Niederländer zerstreut. Eine Erklärung, die für die Mehrheit der Parteien in Den Haag akzeptabel wäre, ist vorbereitet. Das Assoziierungsabkommen enthalte keine "Verpflichtung für die Union oder ihre Mitglieder, der Ukraine kollektive Sicherheitsgarantien oder andere militärische Hilfe oder Unterstützung zuteil werden zu lassen", lautet Punkt B in dem Dokument, das der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

Umstrittener ist Punkt A: Er stellt fest, dass das Assoziierungsabkommen der Ukraine keinen Status als Beitrittskandidat einräumt. Das steht ohnehin außer Frage. Mehrere EU-Staaten werden sich aber kaum auf Formulierungen einlassen, die jene "europäische Perspektive" zerschlagen, für die so viele Ukrainer auf die Straße gingen und nicht wenige gestorben sind. Gesucht wird ein Kompromiss, der dem Rechnung trägt, mit dem aber der Niederländer Mark Rutte nach Hause gehen kann. "Scheitert das, wäre das eine riesige Niederlage für die EU, die Ukraine und ein großer Sieg für alle, die von Anfang an verhindern wollten, dass das Abkommen in Kraft tritt", sagt der EU-Mann und meint natürlich auch Russland.

Um Russland geht es auch beim Thema Syrien. Die Staats- und Regierungschefs wollen zeigen, dass ihnen das Schicksal der Menschen in Aleppo nicht gleichgültig ist. "Die Verantwortlichen für den Bruch des Völkerrechts bis hin zu Kriegsverbrechen müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die EU zieht alle verfügbaren Optionen in Betracht", heißt es im Entwurf des Gipfelbeschlusses. Ist das eine Sanktionsdrohung? Einigen könnte die Formulierung zu weit gehen, anderen angesichts des Horrors nicht weit genug.

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Bei der Europäischen Volkspartei stehen vier Kandidaten für den Posten des Parlamentspräsidenten bereit. Es geht auch darum, wie der oder die Neue die Rolle interpretieren soll.

Von Daniel Brössler und Alexander Mühlauer

Die EU-Kommission soll die Verhandlungen beim Brexit führen

Eher kein Streit wird diesmal erwartet über die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland wegen des Ostukraine-Kriegs. Der Italiener Matteo Renzi, bisher Sprecher der Sanktionsskeptiker, ist nicht mehr dabei. Zudem haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande festgelegt auf die Verlängerung. Der Beschluss wird in Brüssel spätestens Anfang nächster Woche erwartet.

Noch vor dem Abendessen muss die britische Premierministerin Theresa May den Gipfel verlassen. Dann nämlich trifft sich die 27er-EU, also die Union der Zukunft. Beim Dinner soll zwar über die Brexit-Verhandlungen gesprochen werden, doch keinesfalls über eine konkrete Strategie. Im Entwurf einer Erklärung heißt es lapidar, man stehe "bereit, die Verhandlungen mit Großbritannien zu beginnen, sobald Großbritannien eine Erklärung nach Artikel 50 abgegeben" habe, also nach den Regeln des EU-Vertrags seine Austrittsabsicht erklärt hat. Interessant wird es im Anhang der Erklärung. Dort geht es, wenn man so will, um die Formation der Truppen. Die EU-Kommission soll demnach die Verhandlungen führen, aber in enger Abstimmung mit den 27 Regierungen.

Nicht so klar ist, welche Rolle die Staaten dem EU-Parlament zugestehen. Dem Scheidungsvertrag muss es nach Artikel 50 des EU-Vertrages zustimmen, aber wird es auch bei den Verhandlungen gehört? Im Text heißt es, bei den Vorbereitungstreffen zu Brexit-Gipfeln im Kreis der 27 sollen Parlamentarier dabei sein. Doch stand diese Passage bis zuletzt in Klammern. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker räumte im ZDF ein, dass die EU nicht nur eine Krise bewältigen müsse, sondern eine "Polykrise": "Es brennt an allen Ecken und Enden", wo es außerhalb Europas brenne, "verlängert sich die Feuersbrunst nach Europa"

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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