Dass das britische Referendum auch die deutsche Europa-Politik verunsichert hat, kann man an allen maßgeblichen Kräften ablesen. Bei Angela Merkel zum Beispiel ist es nicht lange her, dass sie dafür plädierte, zunächst zu klären, was zu verbessern sei, und dann erst zu entscheiden, ob man dafür EU-Verträge ändern müsse.
Mit solch optimistischem Pragmatismus ist es so vorbei wie mit Wolfgang Schäubles Zutrauen in mehr Integration. Und auch die SPD-Spitze will Europa nicht mehr vertiefen, sondern irgendwie verbessern.
Der britische Austritt trifft die deutsche Politik zudem zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist nicht mehr zu erwarten, dass die große Koalition sich zu Gemeinsamkeit durchringt. Das übergeordnete außenpolitische Interesse muss sich innenpolitischen Zielen unterordnen.
Erstaunliche Aufzählungen
Also wird erst mal viel geredet. Allenthalben heißt es, die Bürger müssten den Nutzen Europas konkreter spüren: In der Wirtschaftspolitik, bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und in der Flüchtlingspolitik.
Diese Aufzählungen klingen erstaunlich, denn viele dieser Themen sind ja gerade jene, an denen sich das Versagen Europas zuletzt besonders deutlich manifestiert hat.
Insofern handelt es sich nicht um eine erschöpfende Analyse, sondern um eine Analyse der europapolitischen Erschöpfung. Die ist offenkundig in Deutschland besonders ausgeprägt.