EU-Flüchtlingspolitik:Die Rechnung, bitte zusammen!

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Eine Kurdin im Flüchtlingslager Suruç in der Türkei. Hier leben etwa 35 000 Syrer. (Foto: Carl Court/Getty Images)
  • Die Bundesregierung ermahnt die EU-Partner: Die Drei-Milliarden-Hilfe für die Türkei müsse von allen Mitgliedsstaaten getragen werden.
  • Hintergrund der Forderung aus Berlin ist der Streit unter den europäischen Ländern über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Einige Mitgliedsstaaten wehren sich gegen einen Verteilmechanismus für Flüchtlinge.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Bundesregierung besteht darauf, dass sich alle 28 europäischen Staaten an den Finanzhilfen beteiligen, mit denen die Europäische Union die Türkei unterstützen will, um Grenzen zu sichern und die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verbessern.

"Alle Mitgliedstaaten sollten ihren Beitrag zur Finanzierung der insgesamt drei Milliarden Euro leisten", forderte Jens Spahn (CDU), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Die Gemeinschaft habe " als Ganzes" ein hohes Interesse an einer verlässlichen Vereinbarung mit der Türkei, fügte er hinzu: "Das ist auch eine Frage europäischer Solidarität." Die europäischen Finanzminister werden Anfang kommender Woche in Brüssel über die finanzielle Lastenteilung beraten.

Hintergrund der Forderung aus Berlin ist der Streit unter den europäischen Ländern über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Strittig sind sowohl eine permanente Verteilquote von Flüchtlingen auf die 28 Länder als auch die finanzielle Lastenteilung für gemeinsame Maßnahmen wie Grenzsicherung und Auffanglager entlang der europäischen Außengrenzen.

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Die neuen Mitgliedstaaten lehnen es überwiegend ab, sich daran zu beteiligen. Die neue polnische Regierung will gar keine Flüchtlinge aufnehmen. Ungarn und die Slowakei wollen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den insbesondere von Deutschland und Österreich gewünschten Verteilmechanismus von Flüchtlingen klagen.

Der anhaltende Widerstand hat dazu geführt, dass Berlin, Wien und andere Hauptstädte bereits erwägen, die Flüchtlinge auf weniger Länder aufzuteilen. Aus der finanziellen Verantwortung jedoch sollen die Ost- und Mitteleuropäer nicht entlassen werden. Das sieht nicht nur die Bundesregierung so, sondern auch der Bundestag.

Aktionsplan mit der Türkei - auf Drängen der Bundesregierung

"Alle 28 EU-Mitgliedstaaten sollten sich solidarisch zeigen", forderte Gerda Hasselfeldt, die Chefin der CSU-Landesgruppe, am Dienstag in Berlin. Hasselfeldt verwies darauf, dass die Finanzhilfe notfalls komplett aus dem EU-Haushalt finanziert werden könnte. "Wichtig ist, dass wir das Ziel einer humanen Behandlung der Flüchtlinge erreichen ", sagte sie.

Die EU und die Türkei hatten sich am vergangenen Sonntag auf einen gemeinsamen Aktionsplan geeinigt. Die Regierung in Ankara erhält zunächst drei Milliarden Euro als "initiale" Finanzierung, um eine bessere Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei sicherzustellen. Außerdem wurden der Türkei Visa-Erleichterungen und ein Entgegenkommen bei den Verhandlungen zum Beitritt in die Europäische Union zugesagt. Im Gegenzug verpflichtete sich Ankara, die Flüchtlinge nicht länger ungesteuert weiter Richtung EU reisen zu lassen.

Die Vereinbarung entstand insbesondere auf Drängen der Bundesregierung, die sich von der Sicherung der Außengrenzen und der Verbesserung der Lebensbedingungen der Flüchtlinge in den Herkunftsländern erhofft, die illegale Migration einzudämmen und stattdessen legale Flüchtlingskontingente auf die Mitgliedstaaten verteilen zu können. Nur wenige Stunden nach der Vereinbarung mit der EU zur Eindämmung des Flüchtlingszuzugs machte die Türkei ernst und nahm etwa 1300 Flüchtlinge sowie Schlepper fest.

Deutschlands Anteil würde 534 Millionen Euro betragen

Aus Sicht der Bundesregierung könnten die Finanzhilfen an die Türkei aus dem gemeinsamen EU-Haushalt oder über einen von der EU-Kommission vorgeschlagenen separaten Finanztopf bezahlt werden. In beiden Fällen würden zunächst 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt bereitgestellt.

Für die Finanzierung auch des Restes von 2,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt spricht, dass diese Entscheidung mit Mehrheit getroffen werden kann; unwillige Länder würden überstimmt. Problematisch ist, dass die überstimmten Länder beim Europäischen Gerichtshof klagen könnten, da sie gezwungen würden, Mittel aus nationalen Haushalten bereitzustellen - das berührt nationale Hoheitsrechte. Zudem ist der EU-Haushalt weitgehend leer und verplant - was kaum geändert werden kann.

In den von der Kommission vorgeschlagenen Finanztopf sollen alle Länder nach festgelegtem Schlüssel einzahlen. Deutschlands Anteil liegt bei etwa 21 Prozent oder 534 Millionen Euro, verteilt auf zwei Jahre. Bei diesem Beitrag bleibe es allerdings nur, so hieß es aus Berliner Regierungskreisen, wenn alle anderen 27 Länder ebenfalls ihren Anteil leisteten.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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