Drusen auf den Golanhöhen:Wie Assads Freunde den Konflikt nach Israel tragen

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Wer gegen Assad ist, ist bei ihnen verdächtig: Die 20.000 Drusen auf den annektierten Golanhöhen fühlen sich nach wie vor als Syrer - über die Vorgänge im Nachbarland haben sie sich ihre eigene Wahrheit zurechtgelegt. Doch auch für sie wird der dortige Aufstand zur Zerreißprobe.

Peter Münch, Bukata

Zur Begrüßung hebt Jadel Karim Nasser an zu einer kleinen Grundsatzerklärung. "Wir sind stolz, Syrer zu sein", sagt er feierlich. "Und wir stehen wie ein Mann hinter Präsident Baschar al-Assad und seiner weisen Führung."

"Dahinter stehen doch die westlichen Staaten": Die Drusen auf den Golanhöhen, wie in Madschdal Schams, halten zu Baschar al-Assad. (Foto: REUTERS)

Bekräftigend nickt er ehrerbietig hinüber zu dem überlebensgroßen Porträt des weisen Führers, das ein Helfer gerade noch rechtzeitig an der Stirnseite des Saales aufgehängt hat. Applaus brandet auf, kein Zweifel soll mehr bleiben: Wer solche Anhänger hat, der ist noch nicht verloren. Und wenn es tatsächlich einmal eng werden sollte für den vom Aufruhr bedrängten Assad, dann könnte er hier bei Jadel Karim Nasser und seinen Freunden in der Versammlungshalle von Bukata gewiss einen Platz zum Rückzug finden. Der Haken ist nur: Diese Getreuen leben auf den Golanhöhen, und die sind seit Jahrzehnten schon unter israelischer Kontrolle.

Auf dem Höhenzug, der im Sechstagekrieg 1967 von Syrien erobert wurde, leben 20 000 Drusen - und die tragen den syrischen Konflikt hinein nach Israel. Sie sind ihrer syrischen Heimat bis heute treu geblieben, doch der Aufruhr wird auch für die Menschen hier zur Zerreißprobe. Ein paar Junge solidarisieren sich bereits mit den Aufständischen, und die Alten wie Jadel Karim Nasser haben alle Hände voll damit zu tun, Dämme zu errichten, damit das politische Credo ihrer Religionsgruppe nicht in Gefahr gerät.

In die Machtpolitik nämlich wollen sich die Drusen eigentlich niemals einmischen, dazu sind sie auch zu schwach und angreifbar. Nicht einmal eine Million Anhänger hat ihre über Israel, Syrien und den Libanon verstreute Religionsgruppe, die vor tausend Jahren als Abspaltung vom Islam entstand. Zwischen allen Fronten halten sie sich immer an dem fest, was sie kennen: In Syrien ist das die Familie Assad, die das Land in Gestalt von Vater Hafis und Sohn Baschar seit mehr als vier Jahrzehnten beherrscht.

Israel, das den Golan 1981 völkerrechtswidrig annektiert hat, ist für sie die Besatzungsmacht geblieben. Assad stand immer für ihre Sicherheit in dem Fall, dass die Golanhöhen irgendwann einmal nach einem Friedensvertrag an Syrien zurückgegeben würden. Denn die Herrschaft der Familie Assad aus der alawitischen Minderheit ist eine Art Lebensversicherung für die anderen Minderheiten in Syrien. Dies gilt es nun auch jenseits der Waffenstillstandslinie zu verteidigen - und wenn es nur mit Treueschwüren ist, die sich auf Propaganda ebenso wie auf Pragmatismus stützen.

"Dahinter stehen doch die westlichen Staaten"

Statt von Aufständischen redet Jadel Karim Nasser deshalb von "bewaffneten Banden". Wenn man ihn auf die mehr als 8000 Toten der seit einem Jahr tobenden Kämpfe anspricht, dann nennt er das Erfindungen. "Ich will dir eines versichern", sagt er und schaut ernst und entschlossen, "wenn Assad hinter solchen Taten stecken würde, dann wären wir die Ersten, die gegen ihn wären." Aus dem syrischen Staatsfernsehen und aus Berichten von Verwandten jenseits der Grenze haben sich die Männer in Bukata ihre eigene Wahrheit zu den Vorgängen zurechtgelegt: Im Zentrum geht es dabei immer um eine Verschwörung.

"Dahinter stehen doch die westlichen Staaten", schimpft Amascha Hamad, der sich als Englischlehrer aus Bukata vorstellt. Vorneweg nennt er die USA, dann Israel und am Ende zählt er in seiner Wut auch die Arabische Liga noch zum Westen. "Es geht gar nicht um Demokratie", erklärt er, "der Westen will Assads Sturz, weil er mit Iran und der Hisbollah verbündet ist, und die Golfstaaten und Saudi-Arabien wollen Syrien für den Islam." In einem solchen Szenario darf auch al-Qaida nicht fehlen, deren ausländische Terror-Brigaden mit Geld aus Katar die heldenhafte syrische Armee bekämpften und das Volk massakrierten.

"Die meisten hier denken so", sagt Schefa Abu Jabal, die im drusischen Nachbardorf Madschdal Schams lebt. "85 Prozent der Drusen unterstützen Assad." Die 26 Jahre alte Juristin aber hat sich vom ersten Tag an mit dem syrischen Widerstand solidarisiert. Über Facebook und Twitter hält sie Kontakt und sammelt Informationen. Mit Gleichgesinnten hat sie ein Manifest veröffentlicht zur Unterstützung des "Freiheitskampfes" auf der anderen Seite der Grenzlinie. Von Zeit zu Zeit gehen sie zu Demonstrationen auf die Straße.

"Der Druck ist groß", berichtet sie, "du wirst gehasst, du wirst beschuldigt, Geld von außen zu bekommen, und du verlierst viele Freunde." Im Dezember wurde ihr Protestzug mit Gewalt gestoppt, in diesen Tagen wollen sie es erneut versuchen. "Wenn von den 20.000 Drusen auf dem Golan 200 zu unseren Demonstrationen kommen, dann sind wir zufrieden", sagte Schefa Abu Jabal.

Auch auf den Golanhöhen gehört also Mut dazu, gegen Assad aufzustehen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil jeder hier Verwandte in Syrien in Gefahr bringen könnte. Die junge Juristin aus Madschdal Schams berichtet von Angehörigen, die von den syrischen Sicherheitsdiensten einbestellt und gezielt nach ihr und ihren Protestaktionen befragt worden seien. "Die meisten aus meiner Familie sind aber sowieso für Assad", sagt sie.

Wer gegen Assad ist, wird auch bei den Drusen auf dem Golan sogleich verdächtigt, mit den Israelis gemeinsame Sache zu machen - und Israels Politiker machen es mit ihren Avancen an die syrische Opposition gewiss nicht leichter. Außenminister Avigdor Lieberman posaunte ungefragt hinaus, Israel werde Hilfsgüter für die Aufständischen bereitstellen. Armee-Chef Benny Gantz dachte bereits laut über eine Grenzöffnung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge nach.

"Das wäre das Schlimmste", sagt Wael Tarabay, ein Künstler aus Madschdals Schams, der zur Gruppe der syrischen Oppositionsfreunde zählt. "Wir brauchen diese Hilfe nicht, die israelischen Besatzer und das syrische Regime sind doch nur zwei Seiten derselben Medaille." Ihm und seinen Mitstreitern geht es darum, beide loszuwerden. "Wir haben jetzt neue Hoffnung", sagt er, "dass der Golan nach dem Sturz von Assad irgendwann wieder an Syrien zurückgeht."

© SZ vom 17.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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