Dienstwagenaffäre in Hannover:Massagesitz gefährdet Regierung in Niedersachsen

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Mit Rücktrittsforderungen konfrontiert: Ministerpräsident Stephan Weil. (Foto: Holger Hollemann/dpa)

Er ließ sich einen Audi A8 als Dienstwagen anschaffen - angeblich wegen eines Rückenleidens. Nun muss der grüne Staatssekretär Udo Paschedag gehen. Die Dienstwagenaffäre bringt auch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil in die Bredouille.

Von Ralf Wiegand, Hannover

Dienstwagenaffären haben Tradition in der bundesdeutschen Geschichte, zumindest in der jüngeren. Ulla Schmidt (SPD) hatte 2009 als Bundesgesundheitsministerin ihren Wagen samt Chauffeur in den Urlaub nach Spanien bestellt, um dort einen Termin wahrnehmen zu können.

Bereits 2004 musste sich Monika Hohlmeier (CSU) als bayerische Kultusministerin gegen den Verdacht wehren, der Landtags-Chauffeur brächte im Dienstwagen der Ministerin Kinder zum Kindergarten. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) hingegen ließ gelegentlich ihren Mann ans Steuer der Staatskarosse, während sich Rudolf Scharping (SPD), Ex-Verteidigungsminister, mit Autos erst gar nicht abgab. Er reiste im Flugzeug der Bundeswehr zur Freundin nach Mallorca, nachdem es im Bundestag mal wieder etwas später geworden war.

Nun gibt es auch in der niedersächsischen Landesregierung eine solch hübsche Dienstwagenaffäre - und bereits ein erstes Opfer. Der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Udo Paschedag (Bündnis 90/Die Grünen), ist kein Staatssekretär mehr, nachdem er für sich einen Audi A8 als Dienstwagen anschaffen ließ.

Die Oberklasse-Limousine gilt zwar unter Mitgliedern des Bundeskabinetts in Berlin als äußerst beliebt - Ursula von der Leyen etwa, Daniel Bahr, Peter Altmaier, Kristina Schröder und Ilse Aigner genießen den Komfort made in Ingolstadt -, Staatssekretären in Hannover stehen aber höchstens Autos der gehobenen Mittelklasse zu. Paschedag hatte die Notwendigkeit des Upgrades mit einem Rückenleiden begründet: Für Dienstreisen brauche er ein Fahrzeug mit besonders flexiblen Sitzen. Der A8 verfügt neben einem 250-PS-Antrieb unter der Haube über Ledersessel mit Massagefunktion und extra Lüftung.

Rotes Tuch für die Opposition

Der 58-Jährige, in seiner Behörde rechte Hand des Agrarministers Christian Meyer (Grüne), war ohnehin schon ein rotes Tuch für die Opposition, weil er höher besoldet war als unter niedersächsischen Staatssekretären üblich. Er bezog wie zuvor in gleicher Funktion in Nordrhein-Westfalen 11.286 Euro (B 10) und nicht B 9 (9584 Euro).

Unklar war dabei offenbar, ob Paschedag aus privaten Gründen (um näher an seinem Heimatort Stade zu sein) über die Landesgrenze wechselte, wofür er eine geringere Besoldung in Kauf hätte nehmen müssen, oder aus rein dienstlichen Erwägungen versetzt wurde, was den Anspruch des bisherigen Gehalts rechtfertigen würde. Um dies zu klären, verlangte die Opposition Akteneinsicht - und stieß so auf die Dienstwagendetails.

Demnach hatte Udo Paschedag auf einem Vermerk notiert, sowohl Minister Christian Meyer als auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hätten der A8-Bestellung zugestimmt. Weil bestreitet das aber - zwar habe Paschedag ihn mehrmals auf sein Rückenleiden und die seiner Meinung nach notwendige Anschaffung eines besonders bequemen Gefährts angesprochen; er, Weil, habe dem aber nie zugestimmt. Minister Meyer bedauerte inzwischen, den Regierungschef zu spät informiert zu haben, "das war eindeutig mein Fehler".

Paschedag musste gehen, einstweilen in den Ruhestand. Von Meyer fordern CDU und FDP den Rücktritt und mit Weils Rolle soll sich nach ihrer Meinung alsbald ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss befassen.

© SZ vom 03.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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