Die SPD und Thilo Sarrazin:Pikantes Wiedersehen

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Er hatte Muslime angegriffen, ihnen Integrationsunwilligkeit vorgeworfen und über erbliche Intelligenzunterschiede schwadroniert: Deshalb will die SPD Thilo Sarrazin aus der Partei ausschließen. Vor dem Schiedsgericht trifft der Berliner Ex-Finanzsenator nun auf eine alte Widersacherin.

Nico Fried

Erste Runde im Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin: Der frühere Bundesbank-Vorstand muss sich an diesem Donnerstag vor dem Schiedsgericht des Berliner SPD-Kreisverbandes Wilmersdorf-Charlottenburg eines Antrags der Bundespartei erwehren, die ihn wegen angeblich parteischädigenden Verhaltens aus der SPD werfen will. Dabei kommt es auch zu einem pikanten Wiedersehen: Die Leiterin der Schiedskommission soll 2004 auf Betreiben des damaligen Berliner Finanzsenators Sarrazin aus dem Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsbetriebe gedrängt worden sein.

Der Berliner Ex-Finanzminister Thilo Sarrazin weist alle Vorwürfe aus der SPD zurück und wehrt sich gegen den drohenden Parteiausschluss. (Foto: dpa)

Anlass für das Ausschlussverfahren sind Passagen aus Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab. Die SPD wirft dem 66-Jährigen vor, mit Ansichten zu mangelnder Integrationswilligkeit muslimischer Zuwanderer und zum unterschiedlichen Wert einzelner Menschenleben gegen die Grundsätze der Sozialdemokratie zu verstoßen.

In einem Aufsatz für Die Zeit hatte Parteichef Sigmar Gabriel Sarrazin im Herbst 2010 vorgehalten, historisch diskreditierten eugenischen Auswahlverfahren das Wort zu reden; Gabriel hatte geschrieben, Sarrazin führe "keine Integrations-, sondern eine Selektionsdebatte".

Sarrazin, der sich den Hamburger Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi als Anwalt genommen hat, weist die Vorwürfe zurück und nimmt für sich in Anspruch, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Grad der Erblichkeit von Intelligenzunterschieden wiederzugeben. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: "Natürlich weiß ich, dass eugenische Vorstellungen im zwanzigsten Jahrhundert zu schrecklichen Verbrechen geführt haben. Aber das heißt doch nicht, dass jedes Nachdenken über soziobiologische oder genetische Zusammenhänge im politischen Kontext zwingend zu Missbrauch und unmenschlichen Maßnahmen führt."

Vorsitzende der dreiköpfigen Schiedskommission ist die Juristin Sybille Uken. Sie war bis 2004 Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Dabei war sie mit kritischen Fragen, insbesondere zu Auftragsvergaben der BVG, aufgefallen. Presseberichten zufolge drang Sarrazin im Senat darauf, Uken nicht mehr zu nominieren. Weder Sarrazin noch die SPD wollten sich zu einer möglichen Befangenheit Ukens äußern. In einem ersten Verfahren wegen Äußerungen Sarrazins in der Zeitschrift Lettre International hatte die Kommission unter Ukens Vorsitz 2009 gegen einen Ausschluss Sarrazins entschieden.

© SZ vom 21.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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