Die SPD und Gesine Schwan:Die Wackel-Fraktion

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Kurz vor der Bundespräsidentenwahl scheint der Rückhalt der Kandidatin Gesine Schwan in der SPD zu schwinden: Sie kann nicht fest darauf bauen, alle Stimmen ihrer Partei zu erhalten.

Susanne Höll, Berlin

Wenn sich die SPD-Vertreter aus Bund und Land am Freitag in Berlin treffen, um die Bundesversammlung am Samstag vorzubereiten, werden sie von ihrer obersten Führung die Parole hören: "Wir alle wählen Gesine Schwan."

Hat einige Sozialdemokraten offensichtlich nicht auf ihrer Seite: Präsidentenkandidatin Gesine Schwan (Foto: Foto: AP)

Und auch am Freitagabend, wenn die Sozialdemokraten aus Anlass der Präsidentenwahl zum Empfang in das Berliner Museum "Hamburger Bahnhof" laden, wird die SPD-Kandidatin, die an diesem Tag ihren 66. Geburtstag feiert, öffentlich nur Zuspruch erhalten. Ob sie aber tatsächlich am Samstag die Stimmen aller sozialdemokratischen Wahlleute bekommt, ist dennoch zweifelhaft.

Zwar hat sich der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, dafür verbürgt, dass die 222 Bundestagsabgeordneten für Schwan votieren. Und auch die meisten der übrigen, je nach Zählweise 196 oder 197 aus den Bundesländern entsandten Delegierten dürften bei der geheimen Wahl den Namen der Professorin ankreuzen.

Doch bis hinein in die Spitze der Partei mochte zuletzt niemand ausschließen, dass Präsident Horst Köhler womöglich doch schon im ersten Wahlgang im Amt bestätigt wird und Schwan ausscheiden muss.

Die Wackel-Fraktion in der SPD lässt sich nicht in Zahlen beziffern, dafür aber grob in drei Untergruppen teilen. Da sind jene, die vor Jahresfrist dagegen waren, einen eigenen Kandidaten aufzustellen.

Der Ärger des früheren DDR-Bürgerrechtlers

In der Führungsspitze waren Struck, Vize-Parteichef Peer Steinbrück und angeblich auch Frank-Walter Steinmeier, inzwischen SPD-Kanzlerkandidat, dieser Meinung. Sie alle werben aber inzwischen für Schwan. Die Kandidatin, die einst über mangelnde Unterstützung der Spitze geklagt hatte, soll sich bei der Parteiführung vor zwei Wochen deshalb für die Hilfe des Willy-Brandt-Hauses bedankt haben.

Zur zweiten Gruppe zählen jene, die in den vergangenen fünf Jahren aus ganz unterschiedlichen Gründen Gefallen am amtierenden Bundespräsidenten fanden. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit gibt einer aus diesem Lager zu, bei wirklich freier Wahl würde er für Köhler und nicht für Schwan votieren, sich nun aber der Diziplin beugen.

Die dritte Gruppe besteht aus jenen, die sich über Einlassungen Schwans ärgern, sei es über Bemerkungen zu Ostdeutschland oder zur Gefahr sozialer Unruhen. Ob diese Wahlmänner und -frauen aus ihrem Verdruss auch Konsequenzen ziehen, gilt als offen.

Der frühere ostdeutsche Bürgerrechtler Stephan Hilsberg etwa ärgerte sich gewaltig darüber, dass Schwan die DDR nicht ausdrücklich als Unrechtsstaat bezeichnen mochte, und wollte sich überlegen, ob er Schwan seine Stimme gibt. Am Dienstag kündigte er nach Angaben aus SPD-Kreisen allerdings an, für sie zu votieren.

Sollte Schwan tatsächlich im ersten Wahlgang ausscheiden, hätte das wohl innerparteiliche Verwerfungen zur Folge. Denn einmal hat Solidarität in der SPD einen hohen Wert. Zudem ist Schwan in weiten Teilen der Partei sehr beliebt. Ihre Anhänger finden, sie habe mit ihrer Kandidatur Leben in die vor Jahresfrist von Führungskämpfen und allerlei anderen Querelen gebeutelte Partei gebracht.

Neue interne Kontroversen vor der für sie ohnehin schwierigen Bundestagswahl möchte die SPD-Führung aber vermeiden. Was wiederum dafür spricht, dass das Staatsoberhaupt am Samstag in der Bundesversammlung im Reichstag erst im dritten Wahlgang gefunden werden kann.

© SZ vom 20. Mai 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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