Die Grünen vor der Wahl:Wider die Verzagtheit

Lesezeit: 3 min

Die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin schwören sicha auf den Endspurt im Wahlkampf ein. (Foto: dpa)

Verglichen mit der SPD standen die Grünen lange Zeit komfortabel da. Doch das Selbstbewusstsein der Öko-Partei schrumpft mit den schwächer werdenden Umfragewerten. Noch vor der Bundestagswahl beginnt die Suche nach den Schuldigen.

Von Christoph Hickmann, Bamberg

Parteien, das liegt in ihrer Natur, veranstalten ganz gern mal Parteitage. Das kostet zwar Geld und macht Arbeit, beschert aber selbst dann mediale Aufmerksamkeit, wenn man eigentlich nichts Neues zu verkünden hat. Die Grünen sind da keine Ausnahme, eher im Gegenteil. Nachdem sie sich erst Ende April zum Parteitag getroffen hatten und dann Anfang Juli zum Länderrat, dem sogenannten Kleinen Parteitag, kommen die Grünen an diesem Samstag in Bamberg schon wieder zum Länderrat zusammen. Zu beschließen gibt es zwei Wochen vor der Wahl naturgemäß nicht mehr so viel, aber darum sollte es in Bamberg auch nie gehen.

Stattdessen wollte man sich des bislang gelungenen Wahlkampfs freuen, sich noch mal motivieren und ein paar griffige Botschaften aussenden. Mittlerweile ist die Ausgangslage aber eine andere. Die Umfragewerte liegen plötzlich nicht mehr weit oder zumindest komfortabel über zehn Prozent, sondern wieder etwa in der Höhe des Wahlergebnisses von 2009, als die Grünen 10,7 Prozent erreicht hatten. Das war allerdings, bevor der große Höhenflug einsetzte, bevor man in Baden-Württemberg einen Ministerpräsidenten stellte, deshalb laufen die Grünen jetzt gar nicht mehr so zuversichtlich durch die Gegend wie in den Monaten zuvor. Sie sind nervös. Das gibt niemand öffentlich zu, aber man merkt es in jedem Gespräch mit Abgeordneten und Spitzenfunktionären. Man merkt es auch schon an Wahlkampfständen.

Verglichen mit der SPD, dem Wunschkoalitionspartner, standen die Grünen vor Beginn des eigentlichen Wahlkampfs wie die Musterschüler da, sie hatten alles im Griff. Bis zum Parteitag Ende April. Da rückten die Pläne für Steuererhöhungen mit einem Mal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Erst verwiesen die Grünen darauf, dass die Umfragen ihnen recht gäben, die Leute also ihre Pläne honorierten. Als die Diskussion aber nicht aufhörte, reagierten ihre Spitzenleute zunehmend dünnhäutig.

Hinzu kam die Debatte über pädophile Umtriebe in der Anfangszeit der Partei, mit der die Grünen-Spitze nicht immer geschickt umging. Und dann kam noch die öffentliche Erregung über den sogenannten Veggie-Day obendrauf. Die Grünen beteuern zwar, die Diskussion habe ihnen eher genützt, aber restlos überzeugt klingen sie dabei selbst nicht. Und nun konzentriert sich die Aufmerksamkeit spätestens seit dem TV-Duell vom Sonntag auch noch zunehmend auf die Auseinandersetzung Merkel gegen Steinbrück, Union gegen SPD.

Zu weit nach links gerückt?

Die Grünen müssten also noch mal zwei Wochen Wahlkampf machen und sonst nichts. Doch parallel hat bereits die Suche nach den Ursachen begonnen, und damit auch nach Schuldigen. Die Pädophilie-Diskussion spielt dabei weniger eine Rolle, auch der Veggie-Day nicht so sehr. Stattdessen lautet die große Frage, ob es richtig war, sich mit dem Steuerpaket als eine Art linkere SPD zu präsentieren. Die Antworten fallen naturgemäß unterschiedlich aus. Auch darüber redet öffentlich niemand. Und trotzdem hört man es überall.

Für die Realos ist der Fall recht klar. Aus ihrer Sicht war es falsch, so weit nach links zu rücken, statt die sogenannte Mitte zu umwerben, bürgerliche Milieus. Allerdings müssen sie sich vorwerfen lassen, dass die Beschlüsse über Jahre vorbereitet wurden - und sie alles mitgetragen haben.

Die Linken wiederum werden dagegen vorbringen, dass es Realo-Vertreter gewesen seien, die rund um den Parteitag vor den Plänen gewarnt und sie als wirtschaftsfeindlich dargestellt hätten (um dann beim Parteitag selbst lediglich kosmetische Korrekturen durchzusetzen). Dadurch erst sei die öffentliche Debatte entstanden.

Die Analyse hingegen, dass man deutlich früher und stärker auf die Themen Umwelt und vor allem Energiewende hätte setzen müssen, wird mittlerweile zum Teil sogar flügelübergreifend geteilt. Der Realo Alexander Bonde, in Baden-Württemberg Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, versucht, es positiv zu formulieren: "Ich erlebe gerade bei mittelständischen Betrieben durchgehend, dass uns Grünen alle Türen offenstehen für unsere Kernthemen Klimaschutz, Energiewende und die ökologische Modernisierung der Wirtschaft."

Malte Spitz, der ebenfalls zu den Realos zählt und im sechsköpfigen Bundesvorstand sitzt, sagt es so: "Es ist wichtig, das Thema Energie jetzt noch mal nach vorne zu stellen. Das ist das, was wir seit Jahren vorbereitet haben." Im sogenannten 100-Tage-Programm, das in Bamberg beschlossen werden soll, steht es schon ganz oben. Das mit den Steuern sagt man jetzt nicht mehr ganz so laut.

Nicht nur Trittins Amt wird zur Disposition stehen

Man kann all das bereits als Eingeständnis lesen: Die Erhöhungspläne haben den Grünen nichts gebracht, sondern höchstens der Linkspartei genützt. Diesem Eindruck aber wird man offiziell bis zur Wahl energisch entgegentreten. Ganz besonders energisch dürfte das Spitzenkandidat Jürgen Trittin tun. Die Steuerpläne gehen vor allem auf ihn zurück, und wenn nun intern über Fehleinschätzungen räsoniert wird, geht es in Wahrheit auch bereits um das Personaltableau nach der Wahl.

Die Wahl dürfte für die Generation Trittin die letzte Chance sein, noch einmal zu regieren. Landen die Grünen in der Opposition, dürfte es eine grundlegende Neuordnung geben. Nicht nur Trittins Platz an der Spitze der Bundestagsfraktion wird dann wohl umgehend zur Disposition stehen.

Aber noch ist es ja nicht so weit, zwei Wochen bleiben. Und von der SPD hört man ja jetzt, sie habe wieder Mut gefasst.

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: