Debatte um Entsendung deutscher Soldaten:Scheckbuch statt Soldaten - FDP will Bundeswehr aus Libyen heraushalten

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Geld ja, Soldaten nein: Die Bundesregierung enthielt sich, als es um die Flugverbotszone über Libyen ging. Schickt sie jetzt, nach dem bevorstehenden Sturz des Gaddafi-Regimes, Soldaten zur Hilfe? Verteidigungsminister de Maizière schließt das nicht aus, selbst die Linke zeigt sich gesprächsbereit. Aber die FDP protestiert. Nun fürchtet die Opposition, Deutschland könne erneut außenpolitisch isoliert werden.

Thorsten Denkler, Berlin

Der libysche Despot Gaddafi ist noch nicht vollständig entmachtet, da entbrennt in Deutschland schon eine Debatte über eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr an einer Friedenssicherungsmission in dem strategisch wichtigen Land. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat den Anstoß gegeben. Er sei gewillt, eine Anfrage, so sie denn vom libyschen Übergangsrat gestellt werde, "konstruktiv zu prüfen". Mit anderen Worten: Deutschland wird sich nicht aufdrängen. Aber eben auch nicht automatisch ablehnen, wenn es denn gefragt wird.

Bundeswehrsoldat beim Schminken mit Tarnfarbe: Verteidigungsminister Thomas de Maizière schließt nicht aus, Truppen nach Libyen zu entsenden. Die FDP sperrt sich. (Foto: dapd)

Unterstützung bekommt de Maiziere vom außenpolitischen Sprecher der Union im Bundestag, Philipp Mißfelder: "Militärische Maßnahmen und eine Beteiligung Deutschlands schließe ich nicht aus, wenn es um Friedenssicherung geht", sagte er zu sueddeutsche.de. "Aber dies steht nicht im Mittelpunkt."

Das darf wohl als zögerlicher Versuch gewertet werden, nicht jeglichen Einfluss auf die Zukunft Libyens nach der Entmachtung von Gaddafi und seiner Clique zu verlieren. Ein Versuch, der auf vorsichtige Zustimmung bei der Linken trifft. Aber vom Koalitionspartner FDP brüsk zurückgewiesen wird. Wie in so vielen anderen Fragen ist sich Schwarz-Gelb nicht einig. Die SPD sieht deshalb größeren außenpolitischen Schaden auf Deutschland zukommen.

Der war ohnehin schon nicht unerheblich. Lange hatte sich Deutschland aus dem Krieg des Despoten Gaddafi gegen seine Bürger herausgehalten. So sahen das zumindest viele Nato-Partner und Verbündete im UN-Sicherheitsrat. Der Erfolg der libyschen Rebellen ist auch ihr Erfolg. Der UN-Sicherheitsrat hat mit seiner Resolution die militärische Unterstützung der Aufständischen durch Nato-Flugzeuge erst möglich gemacht.

Deutschland aber hatte sich bei der Abstimmung über die Resolution enthalten und - so die gängige Kritik - die militärische Drecksarbeit anderen überlassen. Zwar beteuerten die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Guido Westerwelle, eng an der Seite der Freiheitskämpfer zu stehen. Doch unter "eng" hatten sich diese wohl etwas anderes vorgestellt. Außenpolitisch hat die Enthaltung Deutschland an den Rand der politischen Isolation gebracht.

Doch selbst jetzt, da Gaddafi ohne direkte deutsche Hilfe militärisch geschlagen zu sein scheint, verteidigt die Koalition ihre Haltung. "Diese Entscheidung war richtig", sagte Außenminister Westerwelle. Sie werde "von unseren Bündnispartnern respektiert". Westerwelle legitimiert die Enthaltung heute einen als Beitrag zur "Kultur der militärischen Zurückhaltung".

Die Bundesregierung versucht das jetzt mit Geld zu kompensieren: Scheckbuch statt Soldaten. Einen 100-Millionen-Euro-Sofortkredit will sie der Übergangsregierung zubilligen, sobald diese sich konstituiert habe. Klingt nach einer freundschaftlichen Geste. Doch auf deutschen Konten sind derzeit über sieben Milliarden Euro eingefroren, die dem libyschen Volk gehören. Das Geld soll jetzt so schnell wie möglich freigegeben werden. Bis dahin soll der Notkredit erste Engpässe überwinden helfen.

Für ihre folgenschwere Enthaltung im UN-Sicherheitsrat haben Westerwelle und die schwarz-gelbe Koalition seltene wie ungeliebte Unterstützung von der Linken bekommen. Die Sozialisten sind eigentlich strikt gegen jede Beteiligung an Kriegen. Die Nato gehört ihrer Meinung nach aufgelöst.

Doch selbst ihre Außenpolitiker müssen heute eingestehen: Der sich jetzt abzeichnende "militärische Sieg wäre wahrscheinlich ohne die Nato nicht oder nicht so schnell gekommen", wie Stefan Liebich im Gespräch mit sueddeutsche.de sagt.

Zwar bleibt Liebich, der für die Linke im Auswärtigen Ausschuss sitzt, bei seiner grundsätzlichen Kritik an dem Militäreinsatz ("Unsere Haltung ist richtig: In einem Bürgerkrieg ist es immer schwer, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen"). Doch auch er schließt - wie CDU-Verteidigungsminister de Maizière - eine Beteiligung deutscher Soldaten an einer Friedensmission in Libyen nicht aus. Zumindest sei er ein Freund von Einzelfallüberprüfungen, sagt er.

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Der FDP ist er damit einen Schritt voraus. Der Koalitionspartner der Union teilt durch seinen außenpolitischen Sprecher im Bundestag, Rainer Stinner mit, man wolle von Bundeswehrsoldaten in Libyen nichts wissen. Die Äußerungen des Verteidigungsministers hält Stinner für "überinterpretiert". Er sagt: "Ich sehe gegenwärtig keinen sinnvollen Einsatz von deutschen Soldaten in Libyen."

Dabei schreit Stinners Analyse der Lage in Libyen geradezu nach einer Friedensmission der UN. Das Land werde jetzt in eine "Situation von großer Unsicherheit kommen", sagt Stinner. Er rechnet mit Verteilungskämpfen um die Macht unter den Stämmen im Land.

Dass Deutschland mit seiner Enthaltung im Sicherheitsrat kaum Einfluss auf die künftige Entwicklung Libyens haben könnte, scheint Stinner wenig zu stören. Er sieht ohnehin die Nato in einer "gewissen Verantwortung, wie es da weitergeht".

Raushalten und Weggucken, der SPD und den Grünen ist das zu wenig. Sie sehen neuerlichen außenpolitischen Schaden auf die Bundesrepublik zukommen, falls sich die FDP mit ihrer Haltung durchsetzt. Omid Nouripour, Verteidigungssprecher der Grünen, will anders als Stinner offenhalten, ob Deutschland sich im Zweifel auch an militärischer Hilfe beteiligt. Mit einer Einschränkung: "Wir müssen abwarten, was sich dort entwickelt. Einen neuen Despoten werden wir sicher nicht unterstützen", sagte er zu sueddeutsche.de.

Deutschland werde mit seiner unentschiedenen Haltung sicher keine "Lead-Funktion", keine Führungs-Rolle übernehmen können, sagt Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Es gehe nicht nur um eine militärische Absicherung des Friedens, sondern auch um den zivilen Aufbau in diesem strategischen wichtigen und an Rohstoffen reichen Land.

Mützenich befürchtet, dass sich Deutschland von seinen Partnern auch in den nächsten Wochen und Monaten "eine Menge wird sagen lassen müssen". Die Regierung hätte seiner Meinung nach im Sicherheitsrat schon deshalb zustimmen sollen, um zumindest eine "begrenzte Rolle" im Nach-Gaddafi-Libyen einnehmen zu können.

Diese Chance ist wohl vertan. Wenn sich die ablehnende Haltung erneut durchsetzt, können die libyschen Rebellen vom Ausland vieles erwarten. Aber eben keine Hilfe deutscher Soldaten.

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