Jenovan Krishnan:Das ungewöhnlichste Mitglied im CDU-Vorstand

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Jenovan Krishnans Eltern flohen vor dem marxistischen Terror aus Sri Lanka nach Deutschland. (Foto: Joy Fischer)

Jenovan Krishnan wurde als Sohn von Tamilen in einem Flüchtlingsheim geboren, nun sitzt er mit 24 Jahren im CDU-Bundesvorstand. Wie kommt jemand so weit?

Porträt von Robert Roßmann, Berlin

Die erste Frage der Kanzlerin war ziemlich überraschend. Jenovan Krishnan hatte sich im CDU-Bundesvorstand gerade vorgestellt. Der Sohn tamilischer Eltern hatte erzählt, dass er in einem Flüchtlingsheim in Nürnberg geboren und im Allgäu aufgewachsen sei - und dass er mit gerade mal 24 Jahren jetzt Mitglied im CDU-Vorstand werde.

Es hätte also viel Ungewöhnliches im Lebenslauf von Krishnan gegeben, nach dem man hätte fragen können. Aber Angela Merkel wollte wissen: "Sind Sie dann Mitglied der CSU?" Die Schwesterpartei aus dem Süden scheint der Kanzlerin in diesen Wochen fremder zu sein als ein Kind von Flüchtlingen aus Sri Lanka.

Das ungewöhnlichste Mitglied im Vorstand

"Als ich Merkel geantwortet habe, dass ich zwar aus Bayern stamme, aber in Frankfurt studiere und deshalb Mitglied der Hessen-CDU bin, hat sie gelächelt", sagt Krishnan. Es gab noch ein paar mehr oder minder lustige Einwürfe. Volker Bouffier rief in den Raum: "Aus Hessen kommen die guten Leute", Volker Kauder scherzte, Krishnan sehe ja aus wie ein typischer Allgäuer. Dann war die Vorstellung vorbei und Krishnan Teil der Runde.

Das ist jetzt zwei Monate her. Seitdem ist Krishnan das ungewöhnlichste Mitglied im Vorstand. Er hat es nicht nur aus dem Flüchtlingsheim zu Merkel in den Vorstand geschafft, er ist auch das jüngste Mitglied in der gesamten CDU-Spitze. Krishnan ist damit so etwas wie der Vorzeige-Vorstand der Union. Wie kommt jemand so weit?

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Krishnans Eltern flohen in den Achtzigerjahren vor der marxistischen Guerilla aus Sri Lanka. Sie kamen - noch getrennt voneinander - nach Deutschland. Der Vater war zunächst in Berlin. Die Mutter kam über Singapur nach Nürnberg. Dort gründeten die Krishnans dann ihre Familie. 1991 wurde im Flüchtlingsheim Jenovan geboren, später kam ein zweiter Sohn. Weil der Vater in Kempten einen Arbeitsplatz in der Metallindustrie fand, zog die Familie ins Allgäu. Dort machte Jenovan Krishnan sein Abitur. "Um erwachsen und unabhängig zu werden", blieb er im Gegensatz zu vielen Mitschülern nicht in Bayern, sondern zog zum Studium nach Frankfurt.

Dass Krishnan bei der CDU landen würde, war dabei keinesfalls ausgemacht. Sein Vater sympathisiert mit der SPD. Krishnan schaute deshalb auch bei den Juso-Hochschulgruppen vorbei. Aber die hätten ihn abgeschreckt, sagt er. Die Jusos hätten ihn und sich immer nur als Opfer gesehen. Er sei deshalb am Ende zum Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) gegangen, weil die ihn eben nicht als Opfer gesehen hätten und auch sonst lieber selbst anpacken würden, statt immer nur zu klagen. Das war 2012. Im selben Jahr trat Krishnan auch der Jungen Union bei.

Dann ging es relativ schnell. 2013 wurde er Mitglied im Kreisvorstand der Frankfurter JU, 2014 trat er bei einer Veranstaltung mit CDU-Generalsekretär Peter Tauber auch in die CDU ein - und im Oktober 2015 wählte ihn der RCDS zum Bundesvorsitzenden. Als solcher sitzt Krishnan jetzt automatisch im CDU-Bundesvorstand. Während seiner Zeit als RCDS-Chef lässt Krishnan sein Studium ruhen, er wohnt jetzt in Berlin - dort ist auch die RCDS-Zentrale.

"Man sieht mich einmal und merkt sich das Gesicht"

Tauber hat sich zum Ziel gesetzt, seine Partei bunter, weiblicher und jünger zu machen. Wer sich den Vorstand der CDU ansieht, kann nicht sagen, dass ihm das bereits im Übermaß gelungen ist. Die meisten Mitglieder sind noch immer ältere Männer mit deutschen Nachnamen. Umso mehr freut sich Tauber über die Karriere von Jenovan Krishnan.

Der 24-Jährige weiß, dass ihm seine Herkunft beim Aufstieg nicht nur geschadet hat. Beim RCDS hatten sie vor der Vorsitzenden-Wahl überlegt, ob der Verband nicht eine modernere Wahrnehmung brauche - bisher wird der RCDS eher mit Jurastudenten oder Korporierten in Verbindung gebracht. Ein Migrant an der Spitze ist da ein Signal, dass sich etwas ändert - auch wenn Krishnan sich zumindest in der Kleidung kaum von seinen Vorgängern unterscheidet. Seine Anzüge sitzen immer perfekt, in der Brusttasche steckt ein Einstecktuch. Auch mit seinen beinahe distinguierten Manieren dürfte Krishnan im eher manierenlosen Berlin auffallen.

"Mein Vorteil gegenüber anderen ist: Man sieht mich einmal und merkt sich das Gesicht; dadurch erinnert man sich leichter an mich und meine Positionen und damit auch an die des RCDS", sagt Krishnan. Das hätten viele bei seiner Wahl zum RCDS-Vorsitzenden einkalkuliert. Glänzend war sein Ergebnis trotzdem nicht, Jenovan Krishnan erhielt nicht einmal 70 Prozent der Stimmen, obwohl er keinen Gegenkandidaten hatte.

Aber wo steht jemand mit so einer Biografie in der Flüchtlingsdebatte? Die Krishnans haben sich weitgehend selbst integrieren müssen und es geschafft. Vielleicht vertritt Jenovan Krishnan auch deshalb relativ restriktive Positionen. Er ist zum Beispiel stolz, dass er im CDU-Vorstand durchsetzen konnte, dass sich seine Partei gegen eine Vorzugsbehandlung von Flüchtlingen bei der Studienplatzvergabe ausspricht, wie das manche zur leichteren Integration gefordert hatten. "Mein Vater hat immer gesagt, klage nicht, setze dich auf den Hosenboden, habe Ziele und packe diese an", sagt Krishnan. Und so sehe er das auch.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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