Bundesverfassungsgericht:Abschiebung trotz drohender Todesstrafe möglich

Lesezeit: 1 min

  • Ein Tunesier kann aus Deutschland abgeschoben werden, obwohl im in seiner Heimat eine Verurteilung zum Tode droht.
  • Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
  • Die Begründung: Die Todesstrafe werde in Tunesien zwar verhängt, seit 1991 aber nicht mehr vollstreckt. Somit drohe keine Verletzung des Grundrechts auf Leben.

Die deutschen Behörden können ausländische Gefährder unter Einschränkungen auch in Länder abschieben, in denen ihnen die Verhängung der Todesstrafe droht. Nach einem am Montag vom Bundesverfassungsgericht veröffentlichten Beschluss verstößt dies nicht gegen das Grundgesetz, wenn eine Vollstreckung der Todesstrafe ausgeschlossen ist.

Außerdem müsse der Betroffene die Chance haben, aus der sich statt der Todesstrafe ergebenden lebenslangen Haft wieder freizukommen. Mit der Begründung nahm der Zweite Gerichtssenat in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde eines Tunesiers nicht zur Entscheidung an (2 BvR 632/18).

Dem Mann wird vorgeworfen, auch in Deutschland einen Anschlag geplant zu haben

Der Mann war 2003 erstmals als Student eingereist und 2015 unter falschem Namen als angeblich syrischer Flüchtling erneut nach Deutschland gekommen. Im August 2016 ordnete ein Gericht die Auslieferungshaft gegen ihn an, weil die tunesische Justiz nach ihm suchte. Ihm wird vorgeworfen, als Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat mitverantwortlich für den Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis im Jahr 2015 zu sein.

Deutsche Behörden werfen ihm zudem vor, auch in Deutschland einen Anschlag vorbereitet zu haben. Konkrete Pläne gab es nach Ermittlerangaben aber noch nicht.

Gegen die Abschiebung wehrte der Mann sich durch alle Instanzen. Zudem bestanden Zweifel, ob die Zusicherungen Tunesiens reichen, dass gegen ihn nicht die Todesstrafe verhängt und er nach den Regeln der Europäischen Menschenrechtskonvention behandelt wird.

In Tunesien kann zwar die Todesstrafe verhängt werden, diese wird aber seit 1991 ausnahmslos nicht vollstreckt. Aus Sicht der Verfassungsrichter wird das Grundrecht des Tunesiers auf Leben durch die Abschiebung nicht verletzt. Gleiches gelte für sein Grundrecht auf Freiheit, weil es in Tunesien möglich ist, aus lebenslänglicher Haft nach 15 Jahren entlassen zu werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter machten deutlich, "in welchen Fällen die Möglichkeit der Rückführung in ein anderes Land - in diesem Fall Tunesien - besteht", sagte sie. "Es ist ein Urteil, dass uns Klarheit gibt und auch die Durchsetzung von Rechten möglich macht."

© SZ.de/Reuters/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Migration
:CSU nervt SPD mit Anti-Flüchtlings-Attacken

Kurz vor der Klausur der Fraktionsspitzen kritisieren führende Sozialdemokraten die Fokussierung der CSU auf die Flüchtlingspolitik. Landesgruppenchef Dobrindt provoziert trotzdem weiter. Und die Opposition beklagt absurde Manöver.

Von Stefan Braun

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: