Bundesregierung: Rüstungsdeal mit Angola:Frau Merkels neues Gespür für Fettnäpfchen

Lesezeit: 2 min

Nach Fukushima hat die Kanzlerin rasend schnell ihren Atomkurs geändert. Dieses Gespür für den Mehrheitswillen scheint Angela Merkel nun verlassen zu haben. Erst wird der Panzerdeal mit Saudi-Arabien publik, dann wirbt sie in Angola für deutsche Patrouillenboote. Merkel macht sich zur Cheflobbyistin der Rüstungsindustrie - und verstört so immer mehr Menschen.

Thorsten Denkler, Berlin

Für des Volkes Willen hat Merkel bisher alles getan: Sie hat die verstaubte Familienpolitik der CDU entsorgt, die Wehrpflicht abgeschafft und nach Fukushima-1 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen.

Der Besuch von Angela Merkel in Angola (hier bei einem Festessen, das Präsident José Eduardo dos Santos für sie ausrichtete) wurde in den deutschen Medien von der Ankündigung überlagert, dass Deutschland Patrouillenboote an das afrikanische Land liefern möchte. (Foto: dapd)

Noch dankt es ihr das Volk nicht. Womöglich, weil den Menschen das Vertrauen fehlt, dass es Merkel mit all dem ernst meint und dass sie selbst von dem überzeugt ist, was sie tut. Vertrauen ist eine langsam wachsende Pflanze. Im Moment ist Merkel dabei, dieses Pflänzchen brutal zu zertreten.

Es fängt an mit dem Panzerdeal. Mehr als 200 Leopard-2-Panzer aus deutscher Produktion sollen angeblich an das autokratische Königreich Saudi-Arabien geliefert werden dürfen. So soll es Merkel mit ihren Ministerkollegen im Bundessicherheitsrat beschlossen haben. Panzer, die sich auch gut dafür einsetzen lassen, Aufständische und Demonstranten in Schach zu halten, die für ihre Freiheit auf die Straße gehen.

Damit so etwas nicht passiert, gibt es strenge Exportrichtlinien. Es spricht einiges dafür, dass sich Merkel über diese Regeln hinweggesetzt hat.

Fast drei Viertel der Bundesbürger lehnen nach einer Umfrage im Auftrag des Magazins Stern das Panzergeschäft ab. Das hat gute Gründe. Nach zwei Weltkriegen und zwei Diktaturen sind die Köpfe der Deutschen weitgehend entmilitarisierte Zonen. Gäbe es hierzulande eine Volksabstimmung, Rüstungsexporte zu verbieten, der Vorschlag würde eine überwältigende Mehrheit bekommen.

Bei Merkel aber scheinen in dieser Hinsicht alle Sensoren zu versagen. Sie stapft von einem Fettnäpfchen ins nächste und merkt es nicht mal.

Sie hatte es nicht für nötig befunden, vor dem Parlament ein Wort der Erklärung zum Panzergeschäft abzugeben. Dies tat sie dann im Fernsehsender Sat1 und betonte die hohe strategische Bedeutung Saudi-Arabiens.

Aus der massiven Empörung über den Deal scheint sie nichts gelernt zu haben. Jetzt bietet sie auf ihrer Afrika-Reise ausgerechnet Angola eine gedeihliche Rüstungszusammenarbeit an. Konkret hat Merkel dem Land den Verkauf von Patrouillenbooten angeboten.

Scheuklappen aufgesetzt

Und wieder liegt der Verdacht nahe, dass damit die deutsche Rüstungsexportrichtlinie verletzt wird. Angola gehört zu den korruptesten Staaten der Erde. Die angeblich moderne Verfassung, die sich das ölreiche Land 2010 gegeben hat, macht automatisch den Vorsitzenden und Stellvertreter der stärksten Partei zum Staatspräsidenten und Vizepräsidenten.

Kritiker bemängeln, die neue Verfassung festige das ohnehin schon autokratische Herrschaftssystem, in dem Opposition praktisch keine Rolle spielt. In einem aktuellen Report weist Amnesty International auf gravierende Menschenrechtsverletzungen in Angola hin.

Merkel aber setzt Scheuklappen auf. Sie will nicht mal anerkennen, dass auch Patrouillenboote Rüstungsgüter sind: "Ich glaube nicht, dass wir in umfassendem Sinne hier die Aufrüstung betreiben. Das sind Grenzsicherungsboote", sagt sie. Eine erschreckend naive Haltung für eine Bundeskanzlerin.

Es ist sicher nicht verkehrt, auch über gute Wirtschaftsbeziehungen problematische Länder zu einer guten Regierungsarbeit zu bewegen, die sich in den Dienst der Bevölkerung stellt. Und wenig spricht auch dagegen, dass Deutschland nicht nur China den afrikanischen Markt überlässt. Die Rohstoffe Afrikas dem eigenen Land zugutekommen zu lassen, gehört zu den legitimen Interessen jeder Nation.

Doch von Deutschland kann, nein, muss erwartet werden, dass die wirtschaftlichen Interessen den politischen folgen. Nicht umgekehrt. Dazu gehört auch: Wenn schon Waffen geliefert werden, dann nur in Staaten, die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte garantieren. Und das bitte nicht nur auf dem Papier, wie in Angola. Wäre Merkel hier so konsequent wie in der Atompolitik, sie hätte längst alle Rüstungsexporte in solche Staaten gestoppt.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: