Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien:Der falsche Panzer, das falsche Land

Der Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt: Überall in der arabischen Welt begehrt die Bevölkerung auf, die deutschen Kampfpanzer kommen womöglich tatsächlich zum Einsatz - fast könnte man meinen, die Regierung ergreift derzeit Partei für die arabischen Diktatoren.

Guido Steinberg

Der Verfasser des Gastbeitrags, Guido Steinberg, ist Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Im Bundeskanzleramt war Steinberg Terrorismusreferent.

BUNDESWEHR IN MAZEDONIEN

Die Bundesregierung ist wegen des Panzer-Verkaufs an Saudi-Arabien stark in der Kritik. 

Die Entscheidung des Bundessicherheitsrats, rund 200 Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien zu verkaufen, hat in den letzten Tagen für große Aufregung in Politik und Öffentlichkeit gesorgt. Nicht nur die Opposition, sondern auch Teile der Union wehren sich heftig gegen das Waffengeschäft mit einer Diktatur, die seit mehr als 30 Jahren einer der Hauptakteure in den Konflikten am Persischen Golf ist und bei der es immer wahrscheinlicher wird, dass die Panzer tatsächlich zum Einsatz kommen werden.

Dabei gibt es ebenso gute Gründe, die für den Verkauf der Waffen an die Saudis sprechen, wie auch dagegen. Für den Verkauf spricht vor allem, dass Saudi-Arabien in den letzten Jahren zu einem immer wichtigeren Partner der Bundesrepublik geworden ist und sich bereits seit langem als verlässlicher Freund der USA erwiesen hat. Das Land ist einer der wichtigsten Verbündeten der USA in der arabischen Welt und zeigte sich als Gegenleistung für den Schutz, den Amerika ihm bot, als verlässlicher Energielieferant, der sich immer bemühte, den Ölpreis in einem akzeptablen Rahmen zu halten.

Obwohl diese Sonderbeziehung zu den USA fortbesteht, versuchen die Saudis seit Beginn des letzten Jahrzehnts, ihre Beziehungen zu europäischen Staaten weiter zu entwickeln. Seit dem ersten Besuch von Kanzler Gerhard Schröder in Saudi-Arabien im Oktober 2003 wurden die Beziehungen ausgebaut. Ziel der Bundesrepublik war und ist vor allem die Förderung des Außenhandels. Doch auch auf anderen Feldern - wie der Terrorismusbekämpfung - wurde die Zusammenarbeit intensiviert.Beziehungen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen

So zynisch dies zurzeit klingen mag, ist das Panzergeschäft der bisherige Höhepunkt einer von mittlerweile drei deutschen Regierungen betriebenen zielstrebigen Außenwirtschaftspolitik mit einem Partner, der aufgrund seiner Ölreserven in den nächsten Jahrzehnten immer wichtiger wird. Die Beziehungen zu Saudi-Arabien sollten deshalb nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

Gegen das Geschäft spricht vor allem die innere Verfasstheit des Königreichs am Golf. So kooperationsfreudig sich Saudi-Arabien gegenüber seinen westlichen Partnern auch zeigt, so bleibt es doch ein autoritäres Regime, dem es um den eigenen Machterhalt geht, das eine extremistische Islam-Interpretation fördert, die nicht allzu weit von der Ideologie al-Qaidas entfernt ist, und das religiöse Minderheiten brutal diskriminiert.

Dies betrifft besonders die rund zwei Millionen Schiiten des Königreichs, die in allen Lebensbereichen unter massiven Benachteiligungen leiden und vermutlich jede sich bietende Gelegenheit nutzen würden, um das Joch des saudi-arabischen Staates abzuwerfen.

Es war vor allem der Blick auf die eigene schiitische Minderheit, der die saudi-arabische Regierung bewog, im März 2011 im benachbarten Bahrain einzumarschieren, um dem bedrängten Herrscherhaus dort beizustehen. Denn in Manama begehrte die schiitische Bevölkerungsmehrheit gegen das sunnitische Regime auf. Riad befürchtete, dass die Unruhen sich auf das nahe gelegene saudi-arabische Festland und die dort siedelnden Schiiten ausweiten würden.

Fragwürdiges Geschäft

Dass deutsche Panzer genutzt werden könnten, wenn saudi-arabische Truppen künftig einmal die Zivilbevölkerung des eigenen oder eines der kleinen Nachbarstaaten bekämpfen, macht das Geschäft mit dem Leopard so fragwürdig.

Die Abwägung zwischen den genannten Vor- und Nachteilen des Waffengeschäfts ist nicht einfach. Dies gilt vor allem für den Fall, dass es schon entsprechende Zusagen aus der Zeit vor Beginn der Unruhen in der arabischen Welt gab, hinter die die Bundesregierung nicht mehr zurückgehen wollte, um das Verhältnis zu Riad nicht zu beschädigen.Deutsche Außenpolitik könnte schweren Schaden nehmen

Problematisch sind jedoch der Zeitpunkt des Geschäfts und die Ausstattung des Leopard. Nicht nur in Bahrain, sondern auch in vielen anderen arabischen Staaten begehren die lange unterdrückten Bevölkerungen gegen ihre Regime auf und haben diese in Kairo und Tunis bereits gestürzt. Der Verkauf einer großen Zahl von Kampfpanzern an eines dieser Regime just zu dieser Zeit erstaunt vor allem, weil man den Eindruck gewinnen könnte, dass die Bundesregierung hier Partei für die Diktatoren ergreift.

Sollte sich dieser Eindruck in der Region verbreiten, wären der gute Ruf, den Deutschland hier genießt, und die deutsche Außenpolitik noch schwerer beschädigt.

Die saudi-arabische Armee verfügt heute schon über Hunderte amerikanischer Kampfpanzer. Bisher fehlt es ihr an gut ausgebildetem und motiviertem Personal, und auch die Wartung modernen Kriegsgeräts lässt zu wünschen übrig. Im Bewusstsein des amerikanischen Schutzes und aus Angst vor einem Staatsstreich des Militärs hat das Königreich in den vergangenen Jahrzehnten auf den Aufbau einer im Kampf gegen äußere Feinde funktionierenden Armee verzichtet.

Wie in so vielen arabischen Staaten besteht die wichtigste Funktion der saudi-arabischen Streitkräfte in der Sicherung des Regimes gegen innenpolitische Gegner. Da sich die Leopard-Panzer in der nun vorgesehenen Ausstattung gerade für die Bekämpfung von Unruhen im städtischen Umfeld besonders gut eignen, hätten sie vor dem Hintergrund der Unruhen in der Region nicht an Saudi-Arabien verkauft werden dürfen.

Das hier auftretende Problem der deutschen Politik ist allerdings ein viel grundsätzlicheres. Ein unvoreingenommener Beobachter könnte aus dem Panzergeschäft schlussfolgern, dass Deutschland auf die Stabilität der autoritären Regime in der Region setzt. Dies wäre immerhin eine klare Linie, aber die deutsche Libyen-Politik der letzten Monate hat bereits gezeigt, dass der deutschen Politik gerade diese fehlt.

Der Umgang mit den Unruhen in der arabischen Welt zeigt vielmehr, wie sehr die Bundesrepublik kurzfristig und in oft widersprüchlicher Weise reagiert, ohne von klar definierten Zielen und Strategien geleitet zu sein. Auf die Verbündeten in Nato und EU wirkt die deutsche Politik orientierungslos.

Daher muss die Bundesregierung bei allen noch verbleibenden Diktaturen sehr viel deutlicher als bisher auf baldige Reformen hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, politischer Partizipation und Rechtsstaatlichkeit drängen und konkrete Angebote machen, wo sie helfen kann. Dies gilt besonders für diejenigen Staaten, wie etwa Saudi-Arabien, zu denen Deutschland gute Beziehungen pflegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: