Bundesparteitag der Grünen:Grüne flüchten in die Steuer-Nostalgie

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Delegierte stimmen in Münster beim Bundesparteitag ihrer Partei ab. (Foto: dpa)

Der Parteitag beschließt die Vermögensteuer. Er befriedigt damit die Sehnsucht nach einer lauten Botschaft - und nach Selbstvergewisserung.

Kommentar von Stefan Braun, Münster

Nein, knapp ist da nichts mehr geworden. Vermögensteuer, wir kommen! - diese Botschaft wollten die meisten Delegierten in Münster auf keinen Fall gefährden. Zu attraktiv ist die Idee, endlich die Reichen, nein, die Superreichen zur Kasse zu bitten. Deshalb haben alle Versuche, den Beschluss noch zu verhindern, in Münster keine Chance mehr. Es klingt ja auch zu verlockend, mit einer Vermögensteuer endlich mehr Gerechtigkeit zu erzielen. Viele Umfragen bestätigen, dass diese Steuer bei den Menschen sehr beliebt ist. Wer wären die Grünen, wenn sie das nicht als Basis für den Beschluss genutzt hätten?

Zwei kleine Haken gibt es freilich: Wo Kompromiss draufsteht, ist gar kein Kompromiss drin. Außerdem ist vollkommen unsicher, ob die Steuer je Gesetz wird.

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Stören mag sich daran aber niemand, erst recht nicht bei den Siegern. Sie wollten endlich den Konflikt beenden, der sich seit Jahren mit dieser Frage verbindet. Also haben sie über ihren Vorschlag Kompromiss geschrieben, auch wenn das in Wahrheit gar kein Kompromiss ist. Dass die Steuer etwas kleiner ausfallen könnte, weil nur noch die ,,Superreichen'' zur Kasse gebeten werden sollen, ist kein Mittelweg zwischen den beiden Fronten. ,,Wir Grünen beschließen eine Vermögensteuer'' - das bleibt die Botschaft.

Für Winfried Kretschmann ist das eine schwere Niederlage. Der Ministerpräsident kämpfte dagegen; er argumentierte mit der Unsicherheit und den Belastungen für den Mittelstand; er verwies auf die Gefahren, die sich durch den aufkeimenden Nationalismus für die Wirtschaft ergeben. Geholfen hat das nichts. Wie vor der letzten Bundestagswahl hat er in einer zentralen Frage verloren. Ob er das einfach hinnehmen wird? Oder doch als Ministerpräsident weiter dagegen kämpfen wird? Niemand sollte glauben, dass die Debatte wirklich auf Dauer vorbei ist.

Trösten kann er sich allenfalls mit der Vorhersage, dass keiner sagen kann, ob tatsächlich eine Vermögensteuer kommen wird. Das liegt nicht nur daran, dass die Grünen Koalitionspartner für ihre Idee brauchen werden. Noch wichtiger und für alle, die ehrlich sind, auch problematischer ist die Frage, ob die Steuer aus technischen und verfassungsrechtlichen Gründen je umgesetzt werden kann. Darauf nämlich hat niemand der Verfechter eine abschließende Antwort. Im Gegenteil: Sie alle wissen, dass das Verfassungsgericht diese Steuer einst kippte. Doch statt auf die Entscheidung der Richter eine überzeugende Antwort zu geben, heißt es nur, man werde eine "verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer für Superreiche" entwickeln. Die Botschaft lautet: Alles, was später kommt, kommt später.

Und das passt zur allgemeinen Stimmung von Münster. Spätestens seit der Wahl von Donald Trump wächst auch bei den Grünen die Verunsicherung - und die Sehnsucht nach Selbstvergewisserung. Das gelingt mit besonders entschlossenen Botschaften fürs Erste besser als mit der Frage, ob mit Trumps Erfolg auch die Grünen ihre eigenen Gewissheiten, ihre Rhetorik, ihr Auftreten überprüfen müssten. Ein paar wenige haben das versucht; sie wollten fragen, ob auch die Grünen Verantwortung tragen. Die große Mehrheit aber wollte sich darauf nicht wirklich einlassen. Ihr war es lieber, frische Zuversicht in einer alten Idee zu suchen.

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