Bundesnachrichtendienst:Sie wissen, dass sie nichts wissen

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Vor dem Irak-Krieg war der Bundesnachrichtendienst einem Hochstapler auf den Leim gegangen. BND/Curveball ist in den USA seitdem ein fester Begriff als der "Betrüger, der den Krieg auslöste". Warum also sollten sich die Amerikaner auf eine deutsche Information verlassen, wenn es um einen Kriegseinsatz in Syrien geht?

Von Hans Leyendecker

Der Tag, an dem die Welt betrogen wurde, war der 5. Februar 2003. Knapp sechs Wochen vor Beginn des Irak-Krieges hielt der US-Außenminister Colin Powell eine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat, um die anderen Nationen auf Kurs zu bringen. Saddam Hussein baue trotz UN-Sanktionen weiter an schrecklichen Massenvernichtungswaffen, lautete die Botschaft.

Höhepunkt des Vortrags war die Geschichte der rollenden Biowaffen-Labore, die der Diktator Saddam Hussein angeblich hatte bauen lassen. Powell hielt ein Röhrchen hoch, das Milzbrandsporen symbolisieren sollte. "25.000 Liter" könnte Saddam davon besitzen. Die Informationen zu den B-Waffen seien, wie alle anderen Informationen, durch "solide Quellen" gedeckt, das seien nicht nur Behauptungen.

Heute weiß die Welt, dass nichts von dem, was Powell damals sagte, der Wahrheit entsprach. Und die Geschichte mit den angeblich rollenden Biowaffenlaboren war natürlich auch eine Lüge. Erfunden hatte sie ein irakischer Hochstapler mit dem Tarnnamen "Curveball", dem der Bundesnachrichtendienst (BND) auf den Leim gegangen war. Die Informationen aus Pullach dienten der Regierung des George W. Bush zum Anfachen der Kriegshysterie. Natürlich wollte Bush damals den Krieg um jeden Preis, aber die Deutschen lieferten die Rechtfertigung dafür. BND/Curveball ist in den USA als der "Betrüger, der den Krieg auslöste", ein fester Begriff.

Also: Warum sollten sich die Amerikaner unbedingt auf eine Information deutscher Sicherheitsdienste verlassen, wenn es um das Für und Wider eines neuen Kriegseinsatzes geht? Funksprüche, die von dem vor Syriens Küste kreuzenden Flottendienstboot Oker abgefangen worden waren, das hatte Bild am Sonntag unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise gemeldet, verrieten angeblich, dass syrische Divisions-und Brigadekommandeure wiederholt den Einsatz von Chemiewaffen gefordert hätten, aber die Forderung sei angeblich von der Regierung Assad abgelehnt worden. Ein Tondokument also.

Das klingt echt, muss es aber nicht sein.

Powell hatte in seiner UN-Rede auch Tonbänder von abgehörten Gesprächen: "Wir haben dieses umgebaute Fahrzeug", sagte da einer. "Was sollen wir tun, wenn sie es sehen?" - "Ich komme morgen vorbei", sagte ein anderer. Iraker, die man nicht kannte, sprachen fast codiert, was angeblich auf Vertuschung schlimmster Sachverhalte hindeutete. Was die Iraker erzählten, hätten nicht mal Iraker verstanden.

Nun ist die Oker kein Werkzeug in einem Krieg der Dienste, sondern ein solides Schiff mit einer erfahrenen Mannschaft, zu der Nachrichtendienstler gehören. Die Marine verfügt über drei solche Schiffe, deren Einsatz durch das Bundestagsmandat für die UN-Beobachtermission in Libanon gedeckt wird. Die Oker hat schon im Kosovo-Krieg in der Adria erfolgreich gelauscht.

Oker hin oder her. Was macht man mit all dem angeblichen Wissen? Eine gewisse Skepsis im Umgang mit den vorgeblichen Wahrheiten und Sicherheiten erlaubt immerhin folgende Beobachtung: Vor einem Jahr noch hat BND-Präsident Gerhard Schindler, der ohne Schwierigkeiten über all das Material verfügen kann, erklärt, das Regime in Damaskus befinde sich "in einer Endphase", es werde "nicht überleben". Heute sagt er, ein Ende des Regimes sei nicht absehbar.

© SZ vom 10.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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