Bürgerkrieg in Libyen:Rebellen auf dem Rückzug

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Schwere Kämpfe an der Küste: Gaddafi scheint es mit einem Angriff vom Meer aus gelungen zu sein, die Hafenstadt Ras Lanuf zu erobern. Kritisch wird die Lage für die Aufständischen aber vor allem im Osten.

Tomas Avenarius

Während die westlichen Staaten über mögliche militärische Hilfe für die libyschen Rebellen streiten, geraten die Aufständischen in die Defensive. Die Streitkräfte des Diktators Muammar al-Gaddafi setzen sie vor allem an der Front im Osten unter Druck. Gaddafis Truppen scheinen die strategisch wichtige Hafenstadt Ras Lanuf wieder zu kontrollieren.

Kämpfe in Libyen Stand der Kämpfe in Libyen, Grafik, Stand 11.03.2011, Rebellen, Gaddafi (Foto: N/A)

Beim Angriff sollen Gaddafis Truppen auch von See aus angelandet sein: Unbestätigten Rebellenberichten zufolge verwendeten sie Kriegs- und Handelsschiffe, die sie mit Artillerie und Raketenwerfern bestückten. Mindestens ein Schiff habe Panzer und Truppen im Hafen abgesetzt. Zwar werde an einzelnen Stellen noch gekämpft. Der Großteil der Rebellen habe sich aber auf eine Verteidigungslinie 50 Kilometer östlich von Ras Lanuf zurückgezogen. Die Zahl der Opfer war unklar. Auch im Westen des Landes gerieten die Aufständischen weiter ins Hintertreffen. Ihre Hochburg Sawija soll gefallen sein.

Gaddafis Sohn Saif al-Islam hatte die Gegenoffensive im Osten in öffentlichen Auftritten angekündigt. "Wir kommen", sagte Saif al-Islam. "Wir haben keine Angst vor der US-Flotte, der Nato, Frankreich, Europa. Dies ist unser Land, wir leben hier, wir werden hier sterben." Saif al-Islam tritt häufig an Stelle seines Vaters auf; die anderen Gaddafi-Söhne führen Regierungsmilizen. Wie zuvor sein Vater nannte Gaddafi-Sohn die Aufständischen "Ratten". Diese müssten demnächst "mit ihren Familien auf den Fregatten der Christen fliehen", sagte er unter Hinweis auf mögliche westliche Evakuierungsaktionen.

Die Berichte aus Ras Lanuf waren lückenhaft und widersprüchlich. Das libysche Staatsfernsehen sprach von der vollständigen Einnahme und zeigte Bilder von Truppen, die angeblich durch die Stadt paradierten. Die Rebellen betonten, dass sie noch einzelne Punkte hielten und die Rückeroberung versuchten. Zugleich berichteten sie von einem fast unausgesetzten Bombardement ihrer Kämpfer: "Sie beschießen uns mit Panzern, Flugzeugen und Raketen aus allen Richtungen", sagte in Kämpfer einer US-Zeitung. "Sie bombardieren uns ununterbrochen."

Auch bei den Kämpfen im Westen rund um die Hauptstadt scheinen die Rebellen Boden zu verlieren. Die nur 40 Kilometer westlich von Tripolis entfernt gelegene Stadt Sawija schien nach tagelangen Kämpfen weitgehend von Gaddafi-treuen Truppen kontrolliert zu sein. Die Armee hatte die Kleinstadt eingekreist und das Zentrum tagelang beschossen.

Nach Berichten der Rebellen sollen auch viele Frauen und Kinder ums Leben gekommen sein. Zudem seien die Vorräte aufgebraucht. Offenbar gibt es aber weiter Widerstandsnester der Aufständischen. Die Rückeroberung Sawijas wäre ein Erfolg für den Diktator. Gaddafis nächstes Ziel dürfte die wesentlich größere Stadt Misrata östlich von Tripolis sein. Sie ist die wichtigste Aufständischen-Hochburg im Westen Libyens.

Kritisch wird die Lage für die Aufständischen aber vor allem im Osten. Nach der Eroberung von Ras Lanuf befinden sich Gaddafis Truppen 300 Kilometer entfernt von der Rebellen-Hauptstadt Benghasi. Zudem sind sie weniger als 150 Kilometer entfernt von einer wichtigen Straßenkreuzung nahe der Stadt Adjdabije. Von dort aus führt eine Wüstenstraße direkt in die Stadt Tobruk und damit fast bis zur ägyptischen Grenze. Sollten die Truppen über diese gut ausgebaute Straße vorrücken, könnten sie die Rebellen in den Städten an der Mittelmeerküste einschließen und von zwei Seiten aus gleichzeitig angreifen.

© SZ vom 12.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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