Brasilien:Parlament stimmt für Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff

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Rousseff werden Tricksereien beim Haushaltsentwurf für 2015 vorgeworfen. (Foto: REUTERS)
  • Die nötige Mehrheit von 342 Stimmen wurde erreicht.
  • Gegen zahlreiche Parlamentarier, die die Amtsenthebung Rousseffs vorantrieben, sind selbst Verfahren wegen Korruption anhängig.
  • Nach dem Votum im Abgeordnetenhaus muss nun der Senat über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen die 68-Jährige entscheiden.

Von Benedikt Peters

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff steht vor dem Verlust ihres Amtes. Die Gegner der linksgerichteten Staatschefin stimmten heute im Parlament mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit für ihre Amtsenthebung.

Das Verfahren gegen Rousseff gilt als umstritten. Offiziell werden ihr Tricksereien beim Haushaltsentwurf für 2015 vorgeworfen. Andererseits gilt der Prozess als politisch motiviert. Gegen zahlreiche Parlamentarier, die die Amtsenthebung Rousseffs vorantrieben, sind selbst Verfahren wegen Korruption anhängig, etwa im Zuge des Skandals um den staatlichen Ölkonzern Petrobras, der das Land seit mehr als zwei Jahren erschüttert. Rousseff selbst konnte bisher keine korrupten Handlungen in dessen Umfeld nachgewiesen werden. Ihren Gegnern wirft sie vor, sie aus dem Amt putschen zu wollen.

Seit Monaten ist die brasilianische Politik polarisiert, es kommt immer wieder zu Massenprotesten mehrerer hunderttausend Menschen - sowohl für als auch gegen Rousseff.

Mit dem Votum des Parlaments ist die Amtsenthebung noch nicht endgültig vollzogen. Bis Ende April muss der Senat mit einfacher Mehrheit zustimmen. Dies gilt angesichts der dortigen Mehrheitsverhältnisse als sehr wahrscheinlich. Danach wäre Rousseff suspendiert, zunächst für 180 Tage. In dieser Zeit würden die Vorwürfe gegen sie juristisch geprüft. Wie unabhängig das von Statten geht, ist jedoch fraglich, da auch die Ermittlungen als politisch motiviert gelten.

Während Rousseffs Suspendierung würde dann Vizepräsident Michel Temer die Amtsgeschäfte übernehmen. Dessen Partei PMDB verließ vor wenigen Wochen die Regierungskoalition. Im Herbst könnte dann der Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit Rousseff endgültig des Amtes entheben. Temer bliebe dann voraussichtlich bis zu den nächsten geplanten Wahlen 2018 Präsident.

Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte Brasiliens, dass ein Staatschef suspendiert wird. 1992 stimmten Parlament und Senat für die vorläufige Amtsenthebung von Fernando Collor de Mello, auch damals wegen Korruptionsvorwürfen. Danach trat er zurück.

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