Balkanflüchtlinge:Prämie fürs Umkehren

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  • Das baden-württembergische Lörrach sorgt mit einer bizarren Praxis für Aufsehen: Flüchtlinge, die ihre Asylantrag zurückziehen oder ausreisen, erhalten eine Prämie.
  • "Absurd, rechtswidrig, inhuman", schimpft am anderen Ende der Republik Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Klaus Schlie.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Es ist eine auf den ersten Blick bizarre Idee: Asylbewerbern eine Prämie zu zahlen, wenn sie Deutschland freiwillig verlassen. Der Landkreis Lörrach sorgt mit dieser Praxis nun für Aufsehen. "Absurd, rechtswidrig, inhuman", schimpft am anderen Ende der Republik Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Klaus Schlie. In Baden-Württemberg warnt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, solche Prämien könnten noch mehr Wirtschaftsflüchtlinge ins Land locken.

Wird hier ein vom Grundgesetz garantiertes Recht verscherbelt? Oder verstärkt man bloß ein Phänomen, das Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den "massenhaften Missbrauch des Asylrechts" nennt? Die Wahrheit ist eher unspektakulär, aber der Fall Lörrach wirft ein Schlaglicht auf die vielfältigen Versuche, mit der wachsenden Zahl von Asylbewerbern sehr pragmatisch umzugehen.

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Von einem "Reintegrationsmanagement" sprach Marion Dammann, die Lörracher Landrätin, gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Das Angebot wende sich an Asylbewerber mit keiner oder nur geringer Chance auf Anerkennung. Es handle sich nicht um eine Prämie dafür, dass der Flüchtling "wieder geht", sondern um eine Finanzierung von Heimreise und Wohnungssuche. Eine dreiköpfige Familie kann auf 1858 Euro kommen, doch der Kreis profitiert von dem Deal noch mehr. 250 Menschen, vor allem aus Balkanstaaten, haben das Angebot bislang angenommen. Andere Landkreise erwägen, dem Beispiel zu folgen, um Geld zu sparen und ihre Unterkünfte zu entlasten.

In Baden-Württemberg stehen eine Million Euro zur Verfügung

Auch Baden-Württembergs Landesregierung hat angekündigt, die freiwillige Rückkehr zu propagieren. Schon seit den Balkankriegen gibt es dafür Fördermittel. In Baden-Württemberg stehen aus zwei Programmen des Bundes und einem des Landes eine Million Euro zur Verfügung, doch wurden diese Möglichkeiten bislang kaum genutzt. Deshalb sollen nun "Personen ohne Bleibeperspektive" darauf aufmerksam gemacht werden. Falls die Flüchtlinge erneut in Deutschland Asyl beantragen, müssen sie die Förderung zurückzahlen, das ist im Landkreis Lörrach nicht anders als auf Landesebene. Alternativ werden ihnen Leistungen gekürzt. Bei sechs bis sieben Prozent liegt die Rückkehrerquote derzeit in Lörrach.

Bislang denkt niemand daran, Flüchtlingen flächendeckend eine Heimkehrprämie zu zahlen. Aber die Wirkung der bestehenden Programme ist nicht zu unterschätzen. Stolz verwies Baden-Württembergs Regierung zuletzt auf die gestiegene Zahl von Abschiebungen, man will sich von der CDU keinen Schmusekurs nachsagen lassen: 1211 waren es 2014, ein Spitzenwert in Deutschland. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum gab es in Baden-Württemberg 2500 geförderte freiwillige Ausreisen.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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