Autobombe am Times Square:"Ein potentiell tödliches Ereignis"

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Die New Yorker nehmen den versuchten Anschlag mit einer Autobombe am Times Square gelassen. Taliban haben sich nun offenbar zu der Tat bekannt.

J. Häntzschel, New York

Der Samstagabend war einer der wärmsten in diesem Jahr, und die Straßen am Times Square quollen über von Einheimischen und Touristen auf dem Weg ins Restaurant oder Theater.

Nach dem Fund der Autobombe prüfen und sichern Sprengstoffexperten das Gebiet rund um den New Yorker Times Square. (Foto: Foto: AP)

Doch gegen halb sieben Uhr nahm das Vergnügen im milden Wind ein jähes Ende. Ein T-Shirt-Verkäufer bemerkte einen Nissan-Geländewagen, der auffällig geparkt am Straßenrand stand. Der Motor lief, die Scheinwerfer waren angeschaltet, obwohl es noch taghell war. Als dann auch noch Rauch aus dem Inneren drang, sprach der Mann einen Polizisten an. Der stellte Schwefelgeruch fest, ein Feuerwehrmann hörte kleinere Explosionen aus dem Wagen.

Minuten später hatte die Polizei zwölf Blocks rund um den Times Square evakuiert, während sich Spezialteams in Schutzanzügen und mit Robotern dem Auto näherten.

Sie bestätigten bald, was anfangs niemand so recht hatte glauben wollen: Es hatte sich tatsächlich um eine Autobombe gehandelt. Bei einer Pressekonferenz um zwei Uhr morgens berichtete Bürgermeister Michael Bloomberg, in dem Auto, das ein falsches Nummernschild trug, seien zwei Kanister mit je 20 Litern Benzin, drei Propangasflaschen, Feuerwerkskörper sowie zwei batteriegetriebene Wecker gefunden worden.

"Im Prozess der Detonation"

Der Sprecher der New Yorker Polizei, Paul Browne, erklärte, die Bombe sei "im Prozess der Detonation gewesen", habe aber nicht funktioniert. Wer hinter dem Anschlag steht, sei bislang völlig unklar.

Später wurde bekannt, einer islamistischen Internetseite zufolge habe sich eine pakistanische Taliban-Gruppierung zu dem Anschlag bekannt. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.

"Uns ist ein potentiell sehr tödliches Ereignis erspart geblieben", sagte Bloomberg. Doch gleich darauf wiegelten er und die anderen Offiziellen ab: Es habe sich um eine"amateurhafte" Konstruktion gehandelt, meinte er; und ein ehemaliger Bombenspezialist der Polizei erklärte, selbst wenn sie gezündet hätte, hätte sie wohl eher einen Brand denn eine Explosion ausgelöst.

Dass Bloomberg, der vom feierlichen Korrespondenten-Dinner im Weißen Haus nach New York zurückgeeilt war, noch Smoking und rote Fliege trug; dass Tausende von Touristen den Polizei-Auftrieb als spannendes Alternativprogramm für ihren an den Absperrgittern gescheiterten Theaterabend goutierten, trug zur allgemeinen Gelassenheit bei.

Pragmatismus statt Panik

Diese Gelassenheit im Umgang mit der Terrorgefahr hat sich, nach außen zumindest, in New York schon seit Jahren wieder durchgesetzt. In den ersten zwei, drei Jahren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war das noch anders. Jede Rauchwolke, jeder laute Knall beschleunigte damals den Puls von Hunderttausenden. Und der damalige Bürgermeister Rudy Giuliani verstand sich vor allem als oberster Polizist und Feuerwehrmann.

Autobombe in New York
:Der erste Verdächtige

Besitzer des "Bombenautos" gefasst: Nach dem missglückten Autobombenanschlag auf dem Times Square in New York hat die Polizei den ersten Verdächtigen festgenommen. In Bildern.

Bloomberg hingegen regiert die Stadt als pragmatischer CEO. Wenn er von einem Anschlag wie dem vom Samstagabend hört, denkt er vor allem an die vielen Millionen Dollar, die Theater, Hotels und Restaurants in jeder Stunde verlieren, in denen ihr Geschäft stillsteht.

Dennoch hat der 11. September in der Stadt viele Spuren hinterlassen. Die Zentralen wichtiger Firmen und Behörden sind mit Pollern geschützt. An den Zufahrten zu den Brücken und Tunneln stehen Polizeiposten. Und die Gebäude am früheren Ground Zero sollen nicht nur durch spezielle Fassadenkonstruktionen, sondern auch durch ein Netz von Kontrollstationen geschützt werden. In U-Bahnhöfen wird man gelegentlich gebeten, seine Tasche zu öffnen. Und Durchsagen appellieren dort immer wieder an die Passagiere, verdächtige Gegenstände zu melden: "If you see something, say something!"

"Lächerlich", grummeln New Yorker

Am sichtbarsten sind jedoch die sogenannten "show of force"-Einsätze der Polizei. Fast täglich kann man Kolonnen von bis zu 30 Streifenwagen beobachten, die mit großem Getöse durch die Straßen fahren, an einem prominenten Ort wie dem Columbus Circle oder dem Union Square parken und nach längerem Herumstehen wieder abrücken. In U-Bahnhöfen posieren regelmäßig Gruppen von Polizisten mit Maschinengewehren und im martialischen Kampfoutfit. Wie dieses Spektakel fanatische Terroristen einschüchtern soll, bleibt jedoch das Geheimnis der Polizei.

"Lächerlich", grummeln die New Yorker denn auch. Andererseits sind sie dankbar, dass ihnen Katastrophen wie die in London oder Madrid nach dem 11. September erspart geblieben sind. Erst im vergangen September stand ein vergleichbares Attentat offenbar kurz vor der Ausführung. Drei Männer aus dem New Yorker Stadtteil Queens sollen sich in Pakistan mit ranghohen Al-Qaida-Leuten getroffen und einen Anschlag auf die New Yorker U-Bahn geplant haben. US-Justizminister Eric Holder bezeichnete ihn als "einen der ernstesten Terrorpläne seit 9/11".

© SZ vom 03.05.2010/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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