Amoklauf in München:Rechtspopulisten blamieren sich mit München-Kommentaren

Nach Schießerei in München

Der Tatort: der McDonald's am Olympia-Einkaufszentrum in München

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Einige Politiker haben die Ereignisse in München für Spekulationen und Wahlkampf genutzt.
  • Vor allem rechtspopulistische Politiker brachten die Schüsse schnell in Verbindung mit Flüchtlingen und dem Islam. Nun ist klar: Das war falsch.

Von Jan Schmidbauer

München war an diesem Freitagabend eine Stadt in Angst. Auch an Orten, an denen am Ende nichts passiert war, fürchteten Menschen um ihr Leben. Verständlicherweise. Denn immer wieder kursierten Falschmeldungen. Oft waren es bloß Spekulationen, die einem dennoch Angst einjagen konnten. Besonders abstoßend ist es, wenn die Angst, die Ungewissheit, politisch ausgeschlachtet wird.

Wer in dieser Nacht Twitter verfolgte, stolperte dabei unweigerlich auf die Einschätzungen von selbsternannten Experten, die mal wieder schneller waren als der Rest der Welt. Bei Politikern, allen voran rechtspopulistischen, folgte auf die Eilmeldung in kurzem Abstand die Schnappatmung. Sie wussten schneller als der Rest der Welt, was im Münchner Olympia-Einkaufszentrum passiert ist: Terror, Islamismus, irgendwas mit Flüchtlingen.

Doch sie irrten sich. Beim Täter handelte es sich um einen Amokläufer. Die Polizei teilte mit: Der Täter hat keinen Bezug zur islamistischen Terrormiliz IS.

Gut 15 Stunden vorher schickte AfD-Politiker André Poggenburg schon einen Satz in die Welt. Der AfD-Chef in Sachsen-Anhalt twitterte: "Merkel-Einheitspartei: danke für den Terror in Deutschland und Europa!" Unter dem Kommentar fabulierte er weiter über "islamischen Terror". Für ihn war die Sache klar: Merkels Flüchtlingspolitik ist schuld an den Toten in München.

Inzwischen sollte auch Poggenburg wissen, dass er sich mit seiner Äußerung ziemlich blamiert hat. Auf Twitter entschuldigt hat er sich bisher nicht. Er legte am Samstagmittag noch nach: "AfD weist seit langem auf Sicherheitslage in Deutschland + EU hin: Politikversagen; Linksradikale hetzen und drohen lieber gegen Mut-zur-Wahrheit"

Parteiintern musste der AfD-Politiker ebenfalls eine Niederlage einstecken. Denn der Bundespressesprecher seiner Partei war noch schneller mit einer voreiligen Bewertung der Münchner Ereignisse. Er nutzte schon um 21:06 die Gelegenheit, die Schießerei politisch auszuschlachten. Während in München Menschen um ihr Leben fürchteten, machte Lüth mit den Ereignissen Wahlkampf. Er schrieb: "AfD wählen! Schüsse am Olympia Einkaufszentrum: Tote in München - Polizei spricht von akuter Terrorlage." Inzwischen hat er den Tweet gelöscht.

CDU-Politiker verteidigt sich: "Man hat fast den Eindruck, mein Satz ist schlimmer als der Terror"

Im Nachbarland Österreich beteiligten sich rechtspopulistische Politiker an den Spekulationen. Heinz-Christian Strache, der Chef der FPÖ, war offenbar elektrisiert, als er von einem Bericht des amerikanischen Senders CNN erfuhr. Der Sender übertrug ein Interview mit einer Augenzeugin, die im McDonald's am OEZ gewesen sein soll. Die Frau habe gehört, wie der Täter "Allahu Akbar" rief, berichtete der zugeschaltete Journalist. Daraufhin spricht der Sender von einem möglichen islamistischen Hintergrund. Der Sender ist mit dieser Einschätzung ziemlich alleine.

Für Strache aber ist die Sache klar. Er postet das Video, dazu kommentiert er: "Und was wird in unseren Medien berichtet? Das macht alle fassungslos!". Was Strache sagen will: CNN hat Recht - und der Rest der Welt lügt und verschweigt Tatsachen.

Auch der britische Außenminister Boris Johnson beteiligte sich an Mutmaßungen, die mittlerweile widerlegt sind. Bei einer Pressekonferenz in New York spekulierte er ausschweifend über mögliche Hintergründe der Tat: "Wenn es sehr wahrscheinlich scheint, dass das ein weiterer terroristischer Vorfall ist, dann denke ich, dass es noch einmal beweist, dass wir es hier mit einem globalen Phänomen zu tun haben, einer globalen Krankheit", sagte der populistische Politiker.

Besonders früh beteiligte sich am Freitagabend ein CDU-Politiker. Der sächsische CDU-Politiker Maximilian Krah, der sich nach eigenen Angaben in München aufhielt, schrieb bereits um 20:53: "Das muss der Wendepunkt sein: Die Willkommenskultur ist tödlich. Es geht um unser Land!" Krah hat seinen Tweet ebenfalls gelöscht. Im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung spricht er nun von einer "Hexenjagd" auf ihn, die jedes Maß vermissen lasse. "Nachrichtenstand war, dass es ein IS-Anschlag mit drei Tätern ist, die durch die Stadt laufen", sagte Krah - was in den Pressekonferenzen der Polizei allerdings ganz anders klang.

Auch wenn Krah, der Beisitzer im Kreisvorstand der CDU Dresden ist, am Samstag erst mal versuchen musste, seinen missglückten Tweet zu erklären: Die Gelegenheit für eine politische Botschaft nutzte er trotzdem noch einmal. Es gebe in letzter Zeit einen Wendepunkt. Und an der Politik offener Grenzen könne er "nichts Gutes erkennen". Und auch die Kritik an seiner Person kann Krah nicht nachvollziehen. Er sagte: "Man hat fast den Eindruck, mein Satz ist schlimmer als der Terror."

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