Die Polizei hat inzwischen weitreichende Erkenntnisse über den 18-jährigen Münchner Schüler David S. - für sie steht nun fest: Die Tat hatte keinen Bezug zu islamistischen Gruppen wie dem IS und auch nicht zur Flüchtlingskrise. Stattdessen gehen die Ermittler von einem klassischen Amoklauf aus, der von anderen Amokläufen stark beeinflusst war.
Auf einer Pressekonferenz am Samstagmittag war von Problemen des Deutsch-Iraners mit Mitschülern und einer möglichen depressiven Erkrankung die Rede, wegen der S. in Behandlung gewesen sei. Der Täter habe sich mit dem Thema Amokläufe beschäftigt. Polizeipräsident Hubertus Andrä ging soweit, auf Fragen nach dem Breivik-Attentat vor genau fünf Jahren zu antworten, es liege nahe, dass sich der Täter in seiner Obsession genau damit beschäftigt habe. Sicherheitsvertreter sagten der Nachrichtenagentur dpa, der 18-Jährige habe den Attentäter des Amoklaufs von Winnenden verherrlicht - 2009 hatte ein 17-Jähriger an seiner früheren Realschule in Winnenden bei Stuttgart und auf der Flucht 15 Menschen und sich selbst getötet.
Tat könnte über Tage hinweg geplant gewesen sein
David S. könnte seine Tat perfide über Tage hinweg mit einer Einladung an mögliche Opfer geplant haben. Der Polizei zufolge "spricht vieles dafür", dass der 18-Jährige mit einem ihren Erkenntnissen zufolge gehackten Facebook-Profil junge Menschen in den McDonald's am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) locken wollte. "Kommt heute um 16 Uhr Meggi am OEZ", stand in einem Facebook-Post einer "Selina Akim", der auf Stunden vor der Tat datiert war. "Ich spendiere euch was wenn ihr wollt aber nicht zu teuer." Das Profil auf Facebook wurde gesperrt, doch eine Reihe der Facebook-Posts, um die es geht, waren noch am Tatabend über verschiedene soziale Medien und offenbar Schüler an die Öffentlichkeit gelangt - es begann mit diesem Tweet:
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Auf weiteren Screenshots war zu erkennen, dass der Name von S. schon am Freitagabend fiel, also Stunden bevor die Münchner Polizei in der Nacht die Wohnung der Familie in der Maxvorstadt durchsucht hat. So wurde unter dem weiblichen Namen "Selina Akim" wiederholt die Einladung in das Fastfood-Restaurant gepostet; befreundet mit dem Account waren Dutzende Jugendliche - von denen allerdings einige schon vor der Gewalttat skeptisch reagierten und warnten. "Der Account ist fake, 100 % (...), der kerl ist psychisch gestört und will nur aufmerksamkeit", schrieb ein Nutzer, der frühzeitig in einem Facebook-Kommentar den Nachnamen von S. als wahre Identität von "Selina Akim" nannte und laut eigener Aussage auch die Polizei informierte. Allerdings nannte er als Vornamen Ali und nicht David. Ob es sich um einen gefälschten Fake-Account handelte, wie von ihm behauptet, oder um einen gehackten wie von der Polizei bekannt gegeben, ist weiterhin nicht geklärt.
Video-Aufnahmen:Angriff am McDonald's
Im Internet kursieren Videos, die eine Schießerei vor einem McDonald's und eine Eskalation auf einem Parkdeck zeigen. Vieles deutet darauf hin, dass sie authentisch sind - die Anzeichen verdichten sich, dass die Aufnahmen den Täter zeigen und Hinweise auf seine Motive geben.
Die Polizei hatte in den vergangenen Stunden in alle Richtungen ermittelt und die verschiedenen Motive geprüft. Die bisherigen weiteren Erkenntnisse im Überblick:
- S. hatte einen deutschen und einen iranischen Pass. Nach Polizeiangaben war er ein Schüler, der in München geboren wurde und hier aufwuchs, die Familie soll seit den neunziger Jahren in Deutschland leben. Die Eltern waren den Ermittlern zufolge am Freitag kaum vernehmungsfähig.
- In den frühen Morgenstunden durchsuchte ein Sonderkommando der Polizei die Wohnung, in der S. mutmaßlich mit seinen Eltern und seinem Bruder wohnte, sowie den Keller und die Garagen. Die Wohnung befindet sich in einem Mehrfamilienhaus in der Maxvorstadt, einem begehrten Münchner Innenstadtviertel. In der Nähe soll auch die Schule liegen, auf die er gegangen ist.
- Nachbarn bezeichneten den mutmaßlichen Täter, der nebenbei Zeitungen austrug, als stillen und angenehmen Menschen. Die Familie gilt in ihrem Umfeld als bodenständig und war bei den Nachbarn beliebt. Den Behörden war der Jugendliche bisher nicht bekannt.
- Die Tat wurde gefilmt; es kursieren Handyvideos von Zeugen. Auf einem Parkhaus am OEZ wurde ein Mann offenbar mit Schusswaffe aufgenommen, wie er nach ersten Protokollen schreit: "Ich bin Deutscher, ich bin hier geboren worden. Ich war in stationärer Behandlung." Und: "Wegen euch bin ich gemobbt worden sieben Jahre lang. Und jetzt musste ich mir eine Waffe kaufen, um euch alle abzuknallen." Andrä sagte am Samstagmorgen, es handle sich bei diesem Mann nach derzeitigem Erkenntnisstand um den Täter. Auch vor dem McDonald's wurde mutmaßlich derselbe Mann gefilmt, wie er aus dem Restaurant kommt und zu schießen beginnt (mehr zu den Videos).
- Bei der Schusswaffe des Täters handelt es sich nach ersten Ermittlungen um eine Pistole, eine Glock 17, eine halbautomatische Waffe, die auch das österreichische Bundesheer und die deutsche Marine einsetzt. Woher er sie hatte, ist unklar - eine waffenrechtliche Erlaubnis, sie zu besitzen, hatte er nicht. In seinem Rucksack hatte er der Polizei zufolge noch 300 Schuss Munition.
- S. hat sich nach der Tat selbst erschossen, seine Leiche wurde gegen 20.30 Uhr einen Kilometer von dem Einkaufszentrum entfernt in einer Nebenstraße gefunden. Die Obduktion ergab, dass er sich mit einem Schuss in den Kopf selbst gerichtet hat. Schon kurz nach Beginn des Angriffs hatte eine Zivilstreife der Polizei den Täter bemerkt und auf ihn geschossen, aber nicht getroffen.
- S. handelte nach den Erkenntnissen der Polizei alleine. Es sei nicht davon auszugehen, dass es weitere Täter gegeben habe, sagte Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä. Zunächst hatte es geheißen, es gebe zwei weitere Täter. Erst spät in der Nacht gab die Polizei vorsichtige Entwarnung: Bei dem Toten, der in der Nähe des OEZ gefunden worden sei, handle es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den einzigen Täter.