Afghanistan:Taliban entführen US-Soldaten

Lesezeit: 2 min

Nach einem Anschlag in Afghanistan gerät ein Marine-Angehöriger in die Hand der Aufständischen. Einen Austausch lehnten die Taliban ab, einen weiteren Soldaten töteten sie.

Reymer Klüver, Washington

Die Taliban in Afghanistan haben bei einem Anschlag einen US-Soldaten in ihre Gewalt gebracht. Ein weiterer Soldat wurde getötet. Ein Sprecher der Taliban bestätigte der Nachrichtenagentur AP, ein US-Soldat sei gefangen genommen worden. Die Nato in Kabul teilte lediglich mit, seit Freitag würden zwei Angehörige der US-Streitkräfte in der Provinz Logar südlich der Hauptstadt Kabul vermisst. US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen bestätigte, dass eine massive Suchaktion angelaufen sei. Es ist der zweite US-Soldat, der in die Hände der Taliban geraten ist.

Foto eines Flugblattes, das in Afghanistan verteilt wird: Zwei Navy-Soldaten werden vermisst. (Foto: ap)

In einer kurzen Erklärung der Nato hieß es am Samstag, die beiden hätten am Freitagnachmittag ihren Stützpunkt in Kabul in einem gepanzerten Geländewagen verlassen und seien nicht zurückgekehrt. Fahrzeuge und Hubschrauber würden eingesetzt, um in der Region nach ihnen zu suchen. Ein Sprecher des Provinzgouverneurs bestätigte die Angaben der Taliban und ergänzte, dass die beiden Soldaten etwa 100 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Kabul im Bezirk Charkh unterwegs gewesen seien, einem besonders gefährlichen Teil der Provinz, der "völlig unter Kontrolle" der Taliban sei.

Unklarheit herrschte, welcher Einheit die beiden Navy-Soldaten eigentlich angehören. Ebenso offen war, warum sie überhaupt nachmittags ihren Stützpunkt verlassen haben und in wessen Auftrag sie allein unterwegs gewesen sind. Für Hinweise über ihren Verbleib bot die Nato in lokalen Radiosendern eine Belohnung von 20000 Dollar. Der AP sagte der Vorsteher des Bezirks Charkh, Samer Gul, dass der Geländewagen mit den beiden Männern am Freitagabend zuletzt gesehen worden sei. Einer seiner Wachleute habe vergeblich versucht, das Fahrzeug zu stoppen. Wenig später hätten die beiden im Bazar von Pul-i-Alam angehalten, dem Hauptort von Charkh. Dabei seien sie von Taliban beobachtet worden. Nachdem die Soldaten wieder losgefahren waren, seien sie 15 Kilometer südlich von Pul-i-Alam in eine hastig errichtete Straßensperre geraten. Als sie nicht anhielten, hätten die Taliban das Feuer eröffnet. Die beiden hätten zurückgeschossen. Bei dem Schusswechsel sei einer von ihnen offenkundig umgekommen.

Die beiden seien auf einer gut befestigten Straße in den Hinterhalt geraten, die sie vielleicht irrtümlicherweise für die Hauptstraße nach Kabul gehalten hätten. Tatsächlich führt die Straße weiter nach Süden in eine Region, in die sich Angehörigen der afghanischen Regierung und Polizei nicht vorwagen. Lokale Behörden bestätigten, dass die Taliban in der Provinz inzwischen einen Austausch der Leiche des getöteten Soldaten gegen gefangene Taliban-Kämpfer angeboten haben. Man habe das Angebot zurückgewiesen, aber Gespräche über den gefangenen Soldaten angeboten.

Bisher ist nur ein weiterer Fall eines US-Soldaten in Gefangenschaft der Taliban bekannt. Im Juni vergangenen Jahres verschwand der Soldat Bowe Bergdahl unter bis heute ungeklärten Umständen in der Provinz Paktika im östlichen Pakistan. Nach Militärangaben hatte er seine Posten verlassen. In Videos, welche die Taliban nach seiner Gefangennahme verschickten, behauptet er indes, auf einer Patrouille von Taliban-Kämpfern entführt worden zu sein. Am Samstag wurden bei Kämpfen in Afghanistan fünf weitere US-Soldaten getötet. Vier kamen allein bei einem Bombenanschlag ums Leben. Damit hat sich die Zahl der gefallenen US-Soldaten im Juli auf 56 erhöht. Im Monat zuvor, dem bisher verlustreichsten Monat für US-Truppen im nunmehr fast neun Jahre währenden Krieg, waren 60 amerikanische Soldaten gefallen.

Unvermindert gingen unterdessen die Raketenangriffe auf Ziele im pakistanischen Grenzland weiter. Vier von Drohnen abgefeuerte Raketen haben am Samstag fünf mutmaßliche Talibankämpfer in einem Haus in Süd-Wasiristan getötet. Nach Angaben aus Geheimdienstkreisen war das der zweite Raketenschlag in der Provinz innerhalb von zwei Tagen. Am Freitag waren dabei offenbar 16 mutmaßliche Taliban-Kämpfer getötet worden. Zur selben Zeit hielt sich US-Stabschef Mullen zu Gesprächen mit der pakistanischen Militärführung in Islamabad auf. Die vom US-Geheimdienst CIA dirigierten Raketenangriffe werden von Pakistan geduldet, offiziell aber verurteilt.

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Die Geschichte Afghanistans
:Im 30-jährigen Krieg

Fast zehn Jahre nach den Terroranschlägen in New York und dem Einmarsch der USA in Afghanistan fragt sich die internationale Gemeinschaft noch immer, wie es am Hindukusch weiter gehen soll. Seit Jahrzehnten muss das Land mit Krieg und Armut leben. Die Geschichte in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: