Afghanistan:Friedensgespräche mit Taliban rücken näher

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Kehrtwende in der afghanischen Politik: Präsident Karsai stimmt nun doch zu, dass die Taliban eine Vertretung in Katar eröffnen dürfen - ein wichtiger Schritt zu einem Verhandlungsfrieden zwischen der Regierung und den früheren Machthabern. Noch aber wird die Wende des Präsidenten sehr zurückhaltend beobachtet.

Stefan Kornelius

Afghanistans Regierung hat ihren umfassenden Widerstand gegen Friedensgespräche mit den Taliban aufgegeben und in einem wichtigen Punkt - der Eröffnung eines Taliban-Büros in Katar - eine Kehrtwende vollzogen. Präsident Hamid Karsai ließ in einer Stellungnahme verkünden, dass Afghanistan "im Sinne von Frieden und Stabilität" ein Verbindungsbüro der "bewaffneten Opposition" - sprich: der Taliban - in Katar akzeptieren würde. Am 14. Dezember noch hatte Karsai vehement gegen eine Büroeröffnung opponiert und aus Protest den afghanischen Botschafter aus dem Emirat zurückbeordert.

Afghanistans Präsident Karsai hat bislang alle Bemühungen um eine Einigung durchkreuzt. (Foto: dpa)

Die Eröffnung einer Taliban-Vertretung außerhalb des umkämpften Gebietes in Afghanistan und Pakistan gilt für die internationale Gemeinschaft als wichtigster Schritt hin zu einem Verhandlungsfrieden zwischen der afghanischen Regierung und den früheren Machthabern. Seit mehr als einem Jahr bemühen sich Vermittler um einen Fortschritt bei Friedensgesprächen. Jede Einigung wurde am Ende immer von Karsai durchkreuzt, der - offenbar getrieben von seiner in dieser Frage zerstrittenen Regierung - in den entscheidenden Momenten seine Zustimmung verweigerte.

Die neuerliche Wende des Präsidenten wird in Vermittlerkreisen sehr zurückhaltend beobachtet. Allerdings scheint Karsai tatsächlich seinen Affront von vor Weihnachten korrigieren zu wollen. Damals hatte er auf die Nachricht eines Verbindungsbüros in Katar den Botschafter Afghanistans nach Kabul zurückbeordert und damit die Vermittlungsbemühungen des Emirs, Hamid bin Khalifa al-Thani, brüskiert. Am Dienstag empfing Karsai demonstrativ mehrere Journalisten aus Katar und gab ihnen ein Interview, in dem er seinen Widerstand gegen das Büro zurückzog.

Entscheidend für einen möglichen Friedensprozess ist aber, ob die afghanische Regierung weiter Vorbedingungen für Friedensgespräche stellt. Dazu veröffentlichte der afghanische Hohe Friedensrat ebenfalls am Dienstag einen elf Punkte umfassenden Katalog, der nach Information der Nachrichtenagentur Reuters den ausländischen Botschaften zugestellt wurde. Adressat der Forderungen sind vor allem die USA, die den Friedensprozess tragen müssen, und Deutschland, das eine wichtige Vermittlerrolle einnimmt.

In dem Katalog stellt die afghanische Regierung die bereits bekannten Forderungen: Die Taliban müssten der Gewalt gegen Zivilisten abschwören, die afghanische Verfassung anerkennen und die Verbindungen zu al-Qaida kappen. Außerdem verlangt die Regierung eine offizielle Zusage Pakistans zur Unterstützung von Friedensgesprächen. Schließlich gibt auch der Friedensrat seine Zustimmung zu einem Taliban-Büro in Katar, nicht ohne noch einmal zu betonen, dass die afghanische Seite einen Standort in der Türkei oder in Saudi Arabien bevorzugen würde.

Das größte Hindernis vor einer Büroeröffnung scheint nun der afghanische Widerstand gegen eine Auslieferung von früheren Taliban-Kämpfern zu sein. Die Männer sitzen im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba ein und sollten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und mehrerer anderer Medien in einen Hausarrest nach Katar überstellt werden. Offensichtlich soll es sich dabei um eine vertrauensbildende Maßnahme handeln. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert nun Regierungskreise in Kabul, wonach diese Überstellung Besorgnis auslöse. Ein Regierungsvertreter wird mit den Worten zitiert, dass es sich hier um afghanische Gefangene handele, die auch nach Afghanistan überstellt werden müssten. Offenbar will die Regierung die früheren Kämpfer unter Kontrolle halten.

Der politische Friedensprozess mit den Taliban wird seit Monaten bereits vorbereitet, doch erleidet er immer wieder Rückschläge. Dabei spielt die Regierung Karsai eine schwer zu durchschauende Rolle. Einerseits beschwört der afghanische Präsident immer wieder die Bedeutung einer politischen Lösung, andererseits scheint er von Mitgliedern seines Kabinetts und wichtigen Unterstützern gerade aus der früheren Nordallianz unter Druck zu geraten. Besonders die Taliban-Rückkehr aus Guantanamo wird den Vertretern der Nordallianz ein Dorn im Auge sein.

Problematisch ist auch die Forderung nach einer positiven Rolle Pakistans. Das Taliban-Büro soll gerade deshalb in Katar eröffnet werden, um den Zugriff des pakistanischen Geheimdienstes zu erschweren. Es ist schwer vorstellbar, dass die Regierung in Islamabad wohlwollend dem Plan gegenübersteht, mit dessen Hilfe ihr die Kontrolle über die Taliban entzogen werden soll.

© SZ vom 29.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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