Ägypten: Mubarak vor Gericht:Volk gegen Pharao

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Ägypten macht Mubarak den Prozess: Der gestürzte Präsident lässt sich im Krankenbett in den Gerichtssaal rollen und verkündet: "Ich bestreite alle Anklagepunkte". Draußen verfolgen Anhänger Mubaraks sowie die Revolutionäre vom Tahrir-Platz die Verhandlung auf Großleinwand - bei Ausschreitungen werden Demonstranten verletzt.

Als dem Angeklagten im Krankenbett das Mikrofon gereicht wird, wedelt er unwillig mit der Hand. Dann spricht er mit fester Stimme: "Ich bestreite alle Anklagepunkte. Ich habe derartige Verbrechen nicht begangen."

Prozess gegen Hosni Mubarak
:Ein Despot im weißen Hemd

Ein historischer Moment: Hosni Mubarak, fast drei Jahrzehnte Herrscher über Ägypten, wird in weißer Kleidung auf einem Krankenbett in den Gerichtssaal gefahren. Der Auftakt im Prozess gegen den Despoten in Bildern.

Der Angeklagte ist Hosni Mubarak, der Despot, der fast 30 Jahre lang über Ägypten geherrscht hat.

Es ist der Moment, auf den Millionen Ägypter gewartet haben: In einer Live-Übertragung verfolgen sie, wie Mubarak, der bis vor sechs Monaten mit brutaler Gewalt über sein Volk herrschte, der Prozess gemacht wird. Das Volk gegen den Pharao.

Mubarak werden Amtsmissbrauch, illegale Bereicherung und die Tötung von Demonstranten vorgeworfen. Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht Mubarak die Todesstrafe. Auch seine zwei Söhne, der frühere Innenminister Habib al-Adli sowie mehrere hohe Polizeioffiziere müssen sich vor Gericht verantworten.

Historischer Moment in Ägypten

Die strafrechtliche Verfolgung des gestürzten Staatschefs im Namen des eigenen Volkes ist in der arabischen Welt bisher beispiellos. Am nächsten kommt ihr noch der Prozess gegen den früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein, der 2003 von US-Truppen festgenommen worden war. Dem gestürzten tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali wurde zwar schon mehrfach der Prozess gemacht, jedoch stets in Abwesenheit. Ben Ali hält sich seit seinem Sturz im Januar im saudiarabischen Exil auf.

Bis zuletzt war unklar, ob der gestürzte Präsident tatsächlich im Gerichtssaal erscheinen würde. Sein Anwalt Faridal-Dib hatte beharrlich behauptet, Mubarak sei schwer krank, auch während des Prozesses kommen Spekulationen auf, wonach der 83-Jährige an Krebs erkrankt sei. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sei Mubarak nicht verhandlungsfähig. Am frühen Mittwochmorgen war er jedoch in seiner Luxusklinik in Scharm el Scheich abgeholt und im Hubschrauber nach Kairo gebracht worden.

Zu Beginn der Sitzung ermahnt der Vorsitzende Richter Ahmed Rifaat die etwa 600 Zuschauer im Auditorium der nationalen Polizeiakademie, der Verhandlung ruhig und in Würde zu folgen. Der Angeklagte liegt in einem Krankenbett, umgeben von Eisenstäben, als um 10:01 Uhr der Prozess eröffnet wird.

Die Verhandlung wird bald von Debatten um den Prozessablauf zwischen Richter Rifaat und den mehr als 80 Anwälten der Angeklagten beherrscht. Mubaraks Verteidiger verlangen, dass der Chef des regierenden Militärrates, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, und Ex-Geheimdienstchef Omar Suleiman als Zeugen vorgeladen werden.

Tantawi war unter Mubarak schon Verteidigungsminister und ist es heute noch. Suleiman war von Mubarak während der Massenproteste zum Vize-Präsidenten ernannt worden. Er verschwand inzwischen aus der Öffentlichkeit. Die Anwälte des früheren Innenministers Al-Adli legen gegen die Zusammenlegung des Prozesses ihres Mandaten, der bereits im April begonnen hatte, mit dem gegen die Mubaraks Beschwerde ein.

Erst kurz vor Mittag beginnt der Staatsanwalt mit der Verlesung der Anklage. Als der Prozess nach einer Pause um ein Uhr wieder aufgenommen wird, erklärt der Richter, dass ein Teil des Verfahrens auf den morgigen Donnerstag vertagt wird, ein weiterer Teil soll am 15. August stattfinden. Mubarak soll bis dahin in einem Militärkrankenhaus untergebracht werden.

Geteilte Reaktionen in Ägypten

Am Rande des Prozesses kommt es vor der Polizeiakademie zu chaotischen Szenen: Trotz des massiven Polizeiaufgebots gehen seit dem Morgen Gegner und Anhänger Mubaraks aufeinander los, Steine und Flaschen fliegen. 61 Menschen werden verletzt, elf davon schwer, wie Rettungskräfte berichten. Das Verfahren war erst nach heftigem Druck der Protestbewegung zustande gekommen.

In Ägypten stößt der Prozess auf unterschiedliche Reaktionen: Einerseits hoffen nun viele Menschen auf Vergeltung gegen den langjährigen autoritären Herrscher. Andererseits fragen sie sich, ob das Verfahren wirklich zu einem Neuanfang führen wird. Viele befürchten, dass das militärische Übergangsregime den Prozess als Beweis dafür anführen wird, dass demokratische Reformen umgesetzt werden. "Ich mache mir Sorgen, dass die Menschen eine Verurteilung Mubaraks als Ende der Revolution ansehen werden", sagte ein 27-Jähriger, der an den Protesten teilgenommen hatte. "Das darf nicht passieren."

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/AFP/dapd/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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