Am Abend zuvor hatte er sich noch lustig gemacht über die drohende Anklage, dann erklärte er seinen Rücktritt. Avigdor Lieberman, nun plötzlich Ex-Außenminister, wurde damit dem Ruf gerecht, dass nur eines an ihm berechenbar ist: seine Unberechenbarkeit.
Doch selbst hinter der letzten Volte dürfte politisches Kalkül stecken. An einen Rückzug auf Dauer mag niemand glauben in Israel, selbst wenn das dem Land zu wünschen wäre. Der Abgang könnte also nur der erste Schritt zur Rückkehr sein.
Lieberman hat bereits angekündigt, nun schnellstmöglich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu klären. Nachdem eine Anklage wegen Korruption und Geldwäsche verworfen wurde, blieb nach zwölfjährigen Ermittlungen ohnehin nur ein minderschwerer Fall von Vertrauensbruch übrig, der nun beschleunigt durch den Rücktritt in einem Handel mit der Justiz bereinigt werden könnte.
Nach den Maßstäben der israelischen Politik, die sogar verurteilte Sünder nach einer abgesessenen Gefängnisstrafe wieder mit offenen Armen aufnimmt, wäre Lieberman danach wieder fast so unbescholten wie ein Novize.
Ob das Kalkül aufgeht, ist offen. Mit dem Rücktritt jedoch hat er der Opposition im Wahlkampf einiges an Angriffsflächen genommen. Der Angeklagte gibt sich pro forma als Ehrenmann und rechnet damit, dass ihm das beim Comeback zum Vorteil gereicht.