Kreditaffäre um Bundespräsident Wulff:Als moralische Instanz versagt

Mit der Kreditaffäre hat Bundespräsident Wulff das Recht verwirkt, als moralische Instanz zu gelten. Er verliert damit die stärkste Legitimationskraft in diesem Amt. Wer Wulff kennt, weiß, dass es so kommen musste.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein Bundespräsident ist eine moralische Instanz, ist eine moralische Instanz, ist eine moralische Instanz. Wenn es ein ungeschriebenes Gesetz über die Amtsführung des höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland gibt, dann dieses. Christian Wulff ist vieles: ein Strippenzieher, ein Vollblutpolitiker. Eine moralische Instanz ist er nicht. War er nie und wird er nicht mehr werden.

Christian Wulff

Bei seinem Amtsantritt als Bundespräsident wusste Wulff genau, welche Affären ihm bevorstehen könnten. Und viele wussten, dass es Affären geben könnte.

(Foto: AP)

Um das mal klarzustellen: Ein Bundespräsident lässt sich nicht und hat sich nie zu seinem Privaturlaub von Geschäftsfreunden einladen lassen. Ein Bundespräsident wird sich nicht und hat sich nie einen Privatkredit von einem Unternehmer geben lassen. Wer dieses Amt antritt, sollte wissen, dass er höchsten moralischen Ansprüchen genügen muss. Christan Wulff war das offenkundig nicht so wichtig - und das macht ihn angreifbar.

Derzeit sind der Bundespräsident und seine Frau in den Golfstaaten unterwegs. Zugegeben: Dienstreisen eines Bundespräsidenten sind kein Urlaub, deshalb kommt auch der Staat dafür auf.

Aber allzu oft haben ihm angebliche Freunde bei der Urlaubsplanung geholfen. Mal geht es in die Ferienvilla des dubiosen Finanzjongleurs Carsten Maschmeyer auf Mallorca. Da war er kaum als Bundespräsident vereidigt. Mal lässt er sich und seiner Familie vom damaligen Air-Berlin-Chef Joachim Hunold das Upgrade in die erste Klasse für einen Trip in die USA spendieren. Das war im Winter 2009. Praktisch, dass der Osnabrücker Unternehmer Egon Geerkens in Florida ein hübsches Häuschen besitzt. Da hat Wulff dann gleich seinen Weihnachtsurlaub verbracht.

Und auch wenn es um die eigenen vier Wände geht, steht ihm die niedersächsische Geschäftswelt gern zur Seite. Das Bundespräsidialamt bestätigte jetzt, dass Wulff von Geerkens Frau einen Privatkredit in Höhe von 500.000 Euro angenommen hat. Angeblich mit vier Prozent verzinst. Nicht gerade ein Super-Schnäppchen. Aber irgendeinen Vorteil wird Wulff in dem Geschäft für sich gesehen haben. Sonst wäre er sofort zu einer Bank gegangen. Und nicht erst, als es schon peinliche Nachfragen im Landesparlament gibt.

Es sind Vorteile, gegen die rechtlich wahrscheinlich wenig zu sagen ist. Moralisch aber überschreitet das Grenzen. Schon im Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachen hätte es ihn als unhaltbar erscheinen lassen, dass er sich in eine derartige Beziehung zu einer lokalen Wirtschaftsgröße begibt. Vielleicht war das der Grund, weshalb er den Kredit vor dem niedersächsischen Parlament auf Nachfragen hin verschwiegen hat.

Leichen im Keller

Wulff redet sich heute mit Spitzfindigkeiten heraus. Er habe korrekt geantwortet, als er mitteilte, dass er in den vergangenen zehn Jahren keine Geschäftsbeziehungen zu Egon Geerkens und/oder dessen Unternehmen gehabt habe. Richtig: Der Kredit kam von Geerkens Frau. Die niedersächsischen Parlamentarier können sich da nur mit viel Naivität nicht hinters Licht geführt vorkommen.

Wulff benimmt sich wie ein kleines Kind, das auf die Frage, ob es seinen Sandkastenkameraden gehauen hat, antwortet: "Nein, das war ich nicht, das war meine Hand." Politiker machen das gerne so. Nur ist Wulff kein Parteipolitiker mehr. Er ist Bundespräsident. Er kann nur ein guter Präsident sein, wenn ihm die Menschen vertrauen. Einem, der aus allem einen persönlichen Vorteil zieht, der mit der Wahrheit spielt, dem vertraut niemand. Das scheint bei Wulff noch nicht angekommen zu sein.

Bei seinem Amtsantritt als Bundespräsident wusste Wulff genau, welche Affären ihm bevorstehen könnten. Und viele wussten, dass es Affären geben könnte. Da wird nichts geheim bleiben. Es wäre überraschend, wenn die Kreditaffäre der letzte Fall in der Akte Wulff wäre.

Wulff sollte sich und dem Land einen großen Gefallen tun: Er sollte sich genau überlegen, was das ungeschriebene Gesetz bedeutet: Der Bundespräsident ist eine moralische Instanz, ist eine moralische Instanz, ist eine moralische Instanz. Das Land dürfte gespannt sein, zu welchem Ergebnis er dabei kommt.

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