Trotz aller öffentlichen Kritik gibt es am Mainzer Hauptbahnhof so gut wie keine Aussicht auf baldige Besserung. Derzeit gebe es wenig Hoffnung, dass sich die Lage vor Ende August stabilisiere, sagte ein Bahnsprecher am Montag. Im Mainzer Stellwerk sind von den üblicherweise 15 Mitarbeitern fünf krank und drei im Urlaub.
Sie können nach Angaben der Bahn nicht kurzfristig ersetzt werden, weil für die Arbeit im Stellwerk Kenntnisse des regionalen Streckennetzes erforderlich sind. Allerdings ließe sich der Verkehr selbst dann nicht kurzfristig normalisieren, wenn Fahrdienstleiter einsprängen: Schließlich sind auch die Züge mittlerweile entsprechend umgeplant. Und das erst recht seit diesem Montag.
Wie von der Bahn angekündigt, hat sich die Situation seit Wochenbeginn noch einmal massiv verschlechtert. Auch tagsüber werden nun fast alle Fernzüge um den Bahnhof, einen zentralen Knotenpunkt, herumgeleitet. Nahverkehrszüge fallen wegen des Engpasses im Stellwerk aus oder fahren nur im Stundentakt statt halbstündlich. Die Einschränkungen trafen auch zahlreiche Pendler im Rhein-Main-Gebiet. Dagegen fordert die Politik eine deutlich schnellere Lösung.
Die Bahn selbst macht mittlerweile kein Hehl mehr aus der Blamage von Mainz. Zwar seien die urlaubenden Fahrdienstleiter um eine vorzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz gebeten worden. "Aber wir können niemanden zwingen", hieß es. Dahinter steht offenbar auch die Sorge, ein auf Druck vorzeitig heimkehrender Bahner könne sich gleich anschließend krank melden. Zunächst blieb unklar, wie die neuerlichen Gespräche mit den Fahrdienstleitern ausgefallen waren. Eine Bahn-Sprecherin verwies auf den runden Tisch zu dieser Frage, zu dem die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD) für diesen Dienstag eingeladen hat.
Derweil lud die Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) für Mittwoch zu einem Spitzengespräch mit der Bahn, an dem neben dem Personalvorstand des Konzerns auch die Personalchefs der betroffenen Bahn-Töchter teilnehmen sollen. Offenbar will die Gewerkschaft die Lage in Mainz nutzen, um auch in anderen Teilen des Konzerns mehr Personal herauszuschlagen. "Dieses Problem existiert bundesweit und geht über alle Geschäftsfelder", sagte EVG-Chef Alexander Kirchner.
Situation soll auch andernorts "abgesichert" werden
Zuvor hatte auch der Vorstandschef der zuständigen Bahntochter DB Netz eingeräumt, dass die Lage nicht nur im Mainzer Stellwerk angespannt sei. Das Unternehmen bemühe sich derzeit, die Situation in anderen Stellwerken "abzusichern". Zusätzlich zu ursprünglich geplanten 250 neuen Fahrdienstleitern würden in diesem Jahr 350 weitere eingestellt, hieß es bei der Bahn.
Der DB-Netz-Gesamtbetriebsrat stellte in einem Schreiben auch einen möglichen Zusammenhang mit einer Beinahe-Kollision zweier S-Bahnen in Mainz am 1. August her. Statt der üblichen drei Fahrdienstleiter seien nur zwei im Stellwerk gewesen, heißt es in dem Brief, aus dem die WAZ-Gruppe zitiert. Dies sei "keine Ausnahme, sondern stellt den Regelfall dar, von denen es täglich bundesweit viele andere gibt".