Wedel:Tod in der Hamburger Vorstadt

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Zwei Polizisten verlassen das Haus in Wedel, in dem die beiden toten Kinder gefunden wurden. (Foto: Bodo Marks/dpa)
  • Im Hamburger Vorort Wedel werden zwei Kinderleichen gefunden, noch am gleichen Tag steht fest: auch der Vater ist tot.
  • Nach der Mutter wird gesucht, doch es gibt schon seit Tagen kein Lebenszeichen mehr von ihr.
  • Die Ermittler gehen von einem Familiendrama aus.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Ein weißes Einfamilienhaus am grünen Rand von Hamburg, Fotos zeigen einen aufgeräumten Vorgarten mit Holzbank und Schaukeln an einem Baum. Am Sonntagvormittag wollten die Großeltern dort im Elbvorort Wedel ihre Enkel abholen, doch sie fanden deren leblose Körper. Der zwei Jahre alte Junge und das fünf Jahre alte Mädchen sind tot. Die Polizei kam mit Spurensicherung und Notfallseelsorgern, später fuhr ein Leichenwagen vor. Bis in den Abend war die Todesursache unklar, aber schnell entstand der Verdacht, dass die Tragödie mit einem weiteren Todesfall ganz in der Nähe zu tun haben dürfte: Im Nachbarviertel Rissen wurde ebenfalls am Sonntagmorgen der tote Vater der beiden Kinder entdeckt, der 49-Jährige hatte sich offenbar von einem siebenstöckigen Hochhaus gestürzt.

Nach der Mutter der Kinder wurde hingegen gesucht. Bis zum frühen Montagabend war unklar, wo sich die 37-jährige Frau, die auch die Partnerin des toten Mannes ist, befindet. Auf dem Grundstück und in der Umgebung waren weiter Spürhunde im Einsatz. Fahnder hatten im Garten Erdbewegungen bemerkt, als sei dort gegraben worden. Lebenszeichen scheint es von der Vermissten jedenfalls schon länger keine mehr zu geben. Ihr Mobiltelefon ist laut Hamburger Morgenpost seit sechs Tagen ausgeschaltet, die Handydaten werden ausgewertet. Von einem natürlichen Tod der Kinder gehen die Behörden nicht aus, Klarheit soll die Obduktion ihrer Körper durch Hamburger Rechtsmediziner liefern. Die Staatsanwaltschaft und die Mordkommission Itzehoe ermitteln wegen eines Tötungsdelikts; zwei Kinder, so ein Beamter, würden ja nicht einfach nebeneinander sterben. Was genau passiert ist, kann vorerst niemand seriös erklären. Oft bleiben die genauen Hintergründe und die Taten mangels Zeugen und Beweisen lange oder für immer Mysterien.

"Die Familie machte eigentlich einen glücklichen Eindruck", sagt ein Nachbar

Die Vermutung, dass es sich um ein Familiendrama handelt, liegt für die Polizei dennoch nahe. "Erweiterter Suizid", wird es formell oft genannt, wenn ein Erwachsener sich das Leben nimmt und nahe Verwandte mit in den Tod reißt. Das Begriffspaar allerdings ist häufig irreführend und zynisch. Auch eine Polizeisprecherin sagt, dass sie die Bezeichnung in diesem Fall für ungeeignet hält. Es sei schließlich nicht so, dass da alte Menschen beschlossen hätten, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Bei Kindern im Alter von zwei und fünf Jahren könne ein Suizid ausgeschlossen werden. Angesichts der sehr wahrscheinlichen Fremdeinwirkung handelte es sich also wohl eher um mindestens Doppelmord und Selbstmord.

Wie es so weit kam, darüber wird ebenfalls gerätselt. "Die Familie machte eigentlich einen sehr glücklichen Eindruck", sagte ein älterer Nachbar dem NDR, es seien "sehr nette Leute" gewesen. Der Vater habe die zwei Kinder jeden Morgen in den Kindergarten gefahren, die Enkel des Nachbarn hätten mit ihnen gespielt. "Wir können das gar nicht verstehen, was da jetzt passiert ist." Andere behaupten, der Vater sei cholerisch und möglicherweise zuletzt arbeitslos gewesen.

Andere Fälle dieser Art zeigen, dass sich hinter einer vermeintlich intakten Fassade oft finanzielle Schwierigkeiten oder schwere Beziehungsprobleme verstecken können, ohne dass selbst Freunde und Verwandte davon rechtzeitig etwas mitbekommen haben. Das Hamburger Abendblatt berichtete mit Verweis auf die Nachbarn, dass es in dem selben Haus bereits 1982 zu Mord und Selbstmord gekommen sei: Ein verzweifelter Kieferorthopäde habe damals seine Frau, seinen Sohn und sich selbst erschossen.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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