Verweigerter Friedhofsplatz:Roma-Baby im Nachbarort beerdigt

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  • Nach der verweigerten Beerdigung eines Roma-Babys in einer Gemeinde in Frankreich ist das Kind nun in einem Nachbarort beigesetzt worden.
  • Aus dem Rathaus der Gemeinde hatte es geheißen, das Roma-Baby könne nicht auf dem Friedhof beerdigt werden - wegen Platzmangels würden diejenigen Antragsteller bevorzugt, die "ihre Steuern zahlen".
  • Der Vorfall sorgte für heftige Proteste, auch der Menschenrechtsbeauftragte und der französische Präsident schalteten sich ein.

Das Roma-Baby, dem in einer Gemeinde in Frankreich ein Friedhofplatz verweigert worden war, ist nun in einem Nachbarort beigesetzt worden. Die an Weihnachten gestorbene Maria Francesca wurde in der Kleinstadt Wissous südwestlich von Paris in einem kleinen weißen Sarg zu Grabe getragen. An der Zeremonie in Wissous nahmen etwa hundert Menschen teil - neben der Mutter des Babys und anderen Mitgliedern der Roma-Gemeinde auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sowie der konservative Bürgermeister von Wissous, Richard Trinquier.

Wissous liegt sieben Kilometer von der knapp 3000 Einwohner zählenden Gemeinde Champlan entfernt, in der die Familie in einem Roma-Lager lebt und wo das zweieinhalb Monate alte Baby ursprünglich beerdigt werden sollte. Die Ablehnung eines Friedhofsplatzes für das Baby hatte landesweit Empörung ausgelöst. Die französische Justiz leitete unterdessen Vorermittlungen gegen die Gemeinde Champlan ein, die die Bestattung verweigert hatte.

Die Gemeindeverwaltung wies den Antrag eines Bestattungsinstituts aber am 31. Dezember ohne Begründung zurück, was nach Angaben des Unternehmens nur äußerst selten vorkommt. Der Bürgermeister von Champlan, Christian Leclerc, sagte der Tageszeitung Le Parisien, auf dem Friedhof seiner Ortschaft gebe es nur wenig freie Plätze. "Vorrang haben diejenigen, die hier ihre Steuern zahlen", wurde der rechtsgerichtete Bürgermeister zitiert.

Aktivisten werfen Bürgermeister Rassismus vor

Der Vorfall hatte für heftige Proteste im ganzen Land gesorgt. Ein örtlicher Verein zur Unterstützung der Roma warf Leclerc "Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Stigmatisierung" vor. "Es gibt kein Wort für den Horror dieser Entscheidung, die zeigt, dass Unterstützung für die Roma nicht nur fehlt, wenn sie leben, sondern auch, wenn sie tot sind", sagte eine Aktivistin.

Staatschef François Hollande rief am Montag dazu auf, die "Werte der Republik" zu verteidigen. Frankreich dürfe "andere nicht angreifen, wie dies auf diesem Friedhof geschehen ist", sagte er im Radiosender France Inter.

Auch der Menschenrechtsbeauftragte Frankreichs schaltete sich ein. Er sei über die Berichte "fassungslos und schockiert", sagte Jacques Toubon am Sonntagabend dem Radiosender Europe1. Er werde gleich am Montag eine Untersuchung des Falles einleiten. Die nahe gelegene Gemeinde Wissous hatte der Familie angeboten, das Baby dort zu begraben.

Bürgermeister fühlt sich missverstanden

Der Bürgermeister von Champlan selbst wies den Bericht zurück und sagte, er habe sich der Bestattung "zu keinem Zeitpunkt widersetzt". Das veröffentlichte Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. In einer ersten Reaktion nach Bekanntwerden des Falles hatte er von einem möglichen Missverständnis zwischen ihm und der Verwaltung seiner Gemeinde gesprochen. Eine entsprechende SMS sei möglicherweise in der Verwaltung missverstanden worden. "Man hatte die Wahl zwischen Corbeil und Champlan, ich habe am Mittwoch mein Einverständnis für eine der Möglichkeiten gegeben".

Das zwei Monate alte Roma-Mädchen war in der Nacht zum zweiten Weihnachtsfeiertag am plötzlichen Kindstod gestorben. Seine Eltern leben in einem Roma-Lager am Ortsausgang von Champlan, einem Vorort von Paris.

In einer früheren Version der Meldung hieß es, der Bürgermeister von Champlan, Christian Leclerc, wünsche sich "inständig", dass das kleine Mädchen in seiner Gemeinde beerdigt werde. Trotz dieses Angebots wurde das Baby nun im Nachbarort beerdigt.

© SZ.de/AFP/afis/kjan - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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