US-Polizei nimmt Grundschülerin in Gewahrsam:Sechsjährige in Handschellen

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Nach einem Wutanfall im Büro ihrer Direktorin wird eine Schülerin im US-Bundesstaat Georgia von der Polizei in Handschellen abgeführt - sie ist sechs Jahre alt. Für die Polizisten ist dies nichts Ungewöhnliches, doch der Vorfall entfacht eine neue Diskussion um Erziehung und die Verhältnismäßigkeit von Strafe.

Christian Wernicke, Washington

Der Polizeichef von Milledgeville versteht die Aufregung nicht. Seine Beamten hätten sich, als sie kürzlich die wild randalierende Salecia Johnson festnahmen, doch völlig korrekt verhalten: "Wann immer wir jemanden per Polizeiwagen zur Wache bringen, werden der Person die Arme auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt", erklärt Officer Dray Swicord, "bei uns gibt es keine Diskriminierung aufgrund des Alters."

Das klingt professionell. Und es soll all die Kritik abwehren, die seit Ende voriger Woche über die Polizei in der verschlafenen Kleinstadt im Herzen des Bundestaates Georgia niedergeht. Denn Salecia Johnson, laut Polizeiprotokoll Übeltäterin im Falle mit der Aktennummer 20120009879, ist gerade mal sechs Jahre alt.

Ihr Vergehen? Das schwarze Mädchen hatte in der lokalen Grundschule einen Wutanfall bekommen und war im Büro der Direktorin ausgeflippt. Nun blickt halb Amerika nach Milledgeville, und im Internet tobt eine Debatte um Erziehung und Strafe. "Beim nächsten Mal sollten sie das Mädchen erschießen", höhnt ein Chatter, der seinen Beitrag vorsichtshalber mit einem roten Symbol kennzeichnet: "Sarkasmus".

Aber die Sache war bitterernst, als Schuldirektorin Diane Popp vergangenen Freitag kurz nach halb elf per Notruf die Polizei alarmierte. Die kleine Salecia Johnson tobte und schrie, riss im Direktorat Kalender und Fotos von der Wand und warf ein halbhohes Bücherregal um, das zu allem Unglück der Lehrerin aufs Bein fiel. Dann biss Salecia noch vor Wut in den Türgriff, ehe sie auf einen Papier-Schredder sprang und drohte, die Glasscheibe zu zerbrechen. Schließlich, so steht es im Protokoll, habe Salecia gegenüber einer Polizistin "aktiv Widerstand geleistet und gekämpft". Die Beamten taten, was sich inzwischen zum Schulskandal auswuchs: Festnahme, Handschellen, Abtransport zur Wache. Die Polizei beteuert, man habe die Sechsjährige "nicht in eine Zelle gesperrt", sondern in einem Besprechungszimmer festgesetzt.

Eineinhalb Stunden später hat dann Candace Ruff, die Tante, Salecia Johnson abgeholt. Die schüttelt in TV-Interviews nun den Kopf über die Reaktion der Polizei, und Salecias Eltern verlangen eine Untersuchung. Das Mädchen, so erklären sie, leide nun unter Albträumen, weil sie zuhause bleiben müsse und sich einsam fühle. Die Direktorin hat das wilde Mädchen bis August von der Schule suspendiert.

© SZ vom 19.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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