Stiftung "Deutschland rundet auf":Trinkgeld für die Gesellschaft

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Zwei Euro statt 1,99: Die Stiftung "Deutschland rundet auf" möchte mit den Cents der Deutschen bundesweite Förderprojekte im Bereich Kinder- und Jugendarbeit unterstützen. Seit zwei Wochen läuft die Initiative - doch Stiftungsgründer Christian Vater geht es nicht um den schnellen Erfolg.

Sophia Lindsey

Der aktuelle Stand ist so täuschend wie enttäuschend: "0 % von 245.000 Euro haben wir schon" verkündet die Stiftung "Deutschland rundet auf" auf ihrer Webseite. Ihre Initiatoren erhoffen sich von den Cent-Münzen, die beim 1,99-Euro-Einkauf im Portemonnaie landen, eine große Wirkung. "Unser Ziel ist es, mit Cent-Beträgen soziale Probleme in Deutschland zu lösen", sagt Stiftungsgründer Christian Vater. Das Prinzip: Einzelhändler wie Douglas, Goertz und Netto Marken-Discount haben mit der Initiative eine Handelspartnerschaft abgeschlossen. Ihre Kunden kaufen ein, zahlen - und runden ihren Rechnungsbetrag zugunsten der Förderprojekte der Stiftung auf.

Von einer kleinen Münze erhofft sich die Stiftung "Deutschland rundet auf" eine große Wirkung. (Foto: dapd)

Doch es kostet Zeit, die Zahlen von 12.000 Filialen und insgesamt etwa 40.000 Kassen auszuwerten, die an der Spendenaktion teilnehmen. Deshalb ist die auf der Website verkündete Zahl noch nicht aussagekräftig: "Wir veröffentlichen unsere Zahlen ab Mitte April. Dann wird es einen Ticker geben, der die ganze Zeit durchläuft", erläutert Vater. Der 37-Jährige ist gelernter Bankkaufmann arbeitete nach seinem Wirtschaftstudium in London zunächst in der Musikindustrie, unter anderem im Management für Popstar Robbie Williams. 2008 gründete Vater eine Stiftung für HIV-infizierte Straßenkinder in Afrika. "Dann habe ich eine Studie zu Kinderarmut in Deutschland gelesen und gedacht: Moment mal, was machst du eigentlich in Kenia?" sagt Vater. So sei "Deutschland rundet auf" entstanden.

"Aufrunden soll so selbstverständlich werden wie Trinkgeld geben"

Bislang beteiligen sich 15 Unternehmen an dem Projekt, darunter vor allem Einzelhandelsketten. "Das ganze System ist sehr, sehr einfach", erklärt Detlef Riesche, Vorsitzender der Geschäftsführung von toom Baumarkt: "Der Kunde sagt 'Aufrunden bitte', die Kassiererin drückt eine Taste und dann wird entsprechend der Regel aufgerundet, etwas anderes geht nicht." Das bedeutet: Jeder Kunde erhält einen Beleg, auf dem der aufgerundete Betrag verzeichnet ist. Mehr als zehn Cent dürfen nicht gespendet werden. Man setze auf Nachvollziehbarkeit, sagt Riesche. Momentan verbuchen die teilnehmenden Unternehmen etwa 1,6 Milliarden einzelne Einkäufe im Jahr - das macht immerhin ebenso viele potenzielle Spendenbeiträge.

"Die Resonanz ist sehr positiv", freut sich Vater. Die Frage nach der konkreten Summe sieht er gelassen: "Für uns ist das Spendenvolumen nicht das Maßgebliche", sagt er, "viel wichtiger ist, wie viele Menschen eigentlich mitmachen und aufgerundet haben. Das ist die viel spannendere Zahl und darauf freue ich mich schon total." Aufrunden, so Vater, solle so selbstverständlich werden wie Trinkgeld geben, "nur eben für unsere Gesellschaft."

245.000 Euro Trinkgeld ist eine ganze Menge. Diese Summe soll an das erste Projekt gehen, das die Stiftung unterstützen will: die "Eltern AG", ein Kursanbieter für sozial benachteiligte Eltern von Kindern im Vorschulalter. "Die Eltern AG adressiert die Themen Kinderarmut und Chancengleichheit", sagt Vater, der die Zukunftssicherung von Kindern und Jugendlichen zum aktuellen Förderschwerpunkt seiner Stiftung erklärt hat. "Wir fördern nur Projekte, die bereits gezeigt haben, dass sie wirken", sagt der 37-jährige Stiftungsgründer.

Unabhängigkeit und Transparenz

Wenn ein Projekt von "Deutschland rundet auf" gefördert werden möchte, muss es bereits an mindestens zwei Standorten Erfolg gezeigt haben und von bundesweiter Relevanz sein. Bewerber müssen einen dreistufigen Prozess durchlaufen: Experten aus der Kinder- und Jugendarbeit bewerten die Initiativen, das Analysehaus Phineo nimmt eine weitere Prüfung vor, ein Kuratorium entscheidet in letzter Instanz. Dieses Verfahren soll Unabhängigkeit und Transparenz gewährleisten. "Das passiert ganz ohne den Einfluss der Unternehmen", bestätigt toom-Geschäftsführer Riesche, "wenn mir ein Projekt nicht gefällt, kann ich daran nichts ändern, genauso wenig kann ich eins der Projekte befördern."

"Wir garantieren, dass jeder einzelne Cent dem Zweck zugutekommt, für den er gedacht ist", ergänzt Riesche. 100 Prozent der Spenden gehen an die Eltern AG. Doch wie ist das möglich, bei fünf bezahlten Mitarbeitern? "Die teilnehmenden Unternehmen zahlen eine Partnergebühr, aus denen sämtliche Verwaltungskosten getragen werden", sagt Vater. Und wer finanziert die medienübergreifende Werbekampagne, deren Aufwand in Millionenhöhe liegen muss? "Sämtliches Mediavolumen haben wir von den großen Medienhäusern komplett umsonst bekommen, weil sie die Initiative so toll fanden."

"Jeder Cent ist ein Cent, der vorher noch nicht da war"

"Wir sind keine zeitlich begrenzte Aktion", betont er, um den schnellen Erfolg geht es ihm nicht. Es gibt keinen bestimmten Zeitpunkt, auf den die Stiftung hinarbeitet; nicht einmal einen Wunsch, bis wann er die 245.000 Euro gerne gesammelt hätte, möchte Vater äußern: "Jeder aufgerundete Cent ist ein Cent, der vorher noch nicht da war." Ziel sei es zunächst, so viele Menschen wie möglich zum Mitmachen zu bewegen. Auf der Webseite der Stiftung kann jeder seine Postleitzahl eingeben und erhält eine Liste der Geschäfte in seiner Nähe, in denen er aufrunden kann. "Wir hoffen, dass es irgendwann an jeder Kasse möglich sein wird", sagt Vater.

Seine These: "Die Menschen möchten Gutes tun in einer Form, die für sie angenehm ist. Angenehm ist, wenn ich nicht mal Geld in die Hand nehmen, sondern nur zwei Worte sagen muss." Möglicherweise könnte die Aktion gerade aus diesem Grund mehr Erfolg haben als die Spendendose neben der Supermarktkasse.

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