Sexuelle Belästigung bei der Schweizergarde:"Das Dessert bist dann du"

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Mal eine Flasche Whisky, mal eindeutige Avancen: Ein ehemaliges Mitglied der Schweizergarde berichtet von sexueller Belästigung durch Geistliche. (Foto: AFP)

Präsente und eindeutige Angebote: Ein ehemaliger Schweizergardist im Vatikan berichtet über sexuelle Belästigungen durch Geistliche. Unterstützung von seinen Vorgesetzten habe es nicht gegeben.

Von Wolfgang Koydl, Zürich

Jung müssen sie sein, groß gewachsen und sportlich durchtrainiert, jene 110 Eidgenossen, die im Vatikan den Heiligen Vater bewachen. In der Tat: In ihren blau-gelben Renaissance-Uniformen mit Helm, Hellebarde und Kniebundhose bieten die Schweizergardisten einen feschen Anblick.

Fesch - und offenbar auch sexuell begehrenswert, wenn man den Aussagen eines ehemaligen Gardisten glaubt. Gefahren drohen dabei nach seinen Worten weniger von lüsternen Touristinnen, sondern von Patern, Priestern und Prälaten. Sogar Bischöfe und Kardinäle hätten ihn sexuell belästigt, vertraute der Mann nun einer Schweizer Zeitung an. Bis zu 20 Geistliche hätten ihm unzweideutige Angebote gemacht, berichtete der nur mit dem Initial G. identifizierte Ex-Gardist der Schweiz am Sonntag. Er diente bereits während des Pontifikats von Papst Johannes Paul II., doch Scham, Hemmungen und Drohungen hätten ihn bisher daran gehindert, seine Erlebnisse zu schildern. Auch mit Kameraden habe er nicht reden können: "Was andere Gardisten machten, weiß ich nicht. Darüber hat man nicht gesprochen."

Die Avancen nahmen demnach verschiedene Formen an. "Einmal stand beim Posten am Eingang St. Anna eine Whiskey-Flasche für mich, zusammen mit der Visitenkarte eines Bischofs", berichtete G. Ein anderer Geistlicher habe ihn eines Abends zum Essen in ein Restaurant eingeladen. "Als Spinat und Steak serviert wurden, sagte der Priester zu mir: Das Dessert bist dann du." Er sei aufgestanden und gegangen, ohne das Essen angerührt zu haben.

Bei seinen Vorgesetzten in der Garde erhielt G. nach eigenen Worten keine Unterstützung, wenn er die sexuelle Belästigung zur Sprache brachte. "Du hast das falsch verstanden, du kannst ja gar kein Italienisch", habe man ihn zu beschwichtigen versucht. Nicht einmal seine Verwandten in der Schweiz hätten ihm glauben wollen.

Für viele junge, katholische Schweizer Männer ist der Dienst in der seit mehr als 500 Jahren bestehenden Garde eine große Ehre, eine "Lebensschule" und oft ein Anschub für eine spätere Karriere daheim. Doch als G. sich nach Ende seiner Dienstzeit um eine Stelle in Rom bemühte, erhielt er von einem Geistlichen den Rat: "Wende dich an Bischof Soundso. Aber geh vorher duschen."

© SZ vom 07.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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