Prozess um Saugbarben:Fische dürfen Hornhaut knabbern

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Knabberfische mögen Hornhaut - trotz Schweiß, Talg, Nikotin und Seifenresten, vor denen Tierschützer sie bewahren wollen. (Foto: dpa)
  • Ein Kosmetikstudio in Köln will seinen Kunden eine besondere Art der Pediküre anbieten: Fische sollen die Hornhaut von den Füßen abknabbern.
  • Die Stadt Köln wollte das verbieten - und erlitt vor Gericht eine Niederlage.

Von Jannis Brühl, Köln

Die Rote Saugbarbe ist ein faszinierendes Tierchen. Der kleine Fisch kann zum Beispiel mit seiner Analflosse schmecken. Aber es ist eine andere seiner Fähigkeiten, die in Köln nun zu einem Gerichtsverfahren geführt hat. Garra rufa oder Kangalfisch, wie er auch heißt, frisst nämlich nicht nur Algen von Steinen - und gelegentlich die eigenen Jungtiere. Er knuspert auch gern an menschlichen Hautschuppen.

Patienten mit Schuppenflechte und Neurodermitis können sich in speziellen Becken von den zwei bis sieben Zentimeter großen Tieren abknabbern lassen - zumindest, wenn sie privatversichert sind. Das soll den Einsatz harter Mittel wie Cortison unnötig machen.

Die Schulmedizin ist allerdings skeptisch. Und ob die Fische auch jenseits der medizinischen Therapie zur kosmetischen Fußpflege eingesetzt werden dürfen, hat jetzt das Verwaltungsgericht klären müssen. Die Stadt Köln hatte zusammen mit dem Landesamt für Naturschutz einem Paar untersagt, ein "Fisch-Spa" zu betreiben. Dort sollen die Tiere Kunden Hornhaut von den Füßen essen.

Zähne zusammenbeißen, Füße ins Wasser stecken

Für eine Fischpediküre nimmt der Kunde auf einer Bank über einem großen Aquarium Platz. Zähne zusammenbeißen, Füße ins Wasser stecken: Bis zu hundert Fische stürzen sich auf die Sohlen. Es fühlt sich an, als würde das Wasser unter Strom stehen - ein für kitzelige Menschen unerträgliches Gekribbel. Danach sind die Füße aber tatsächlich weich wie nach einer klassischen Pediküre.

Die verhinderten Fisch-Kosmetiker aus Köln erzählen, sie seien seit Urlauben in der Türkei und Bulgarien überzeugt von den Knabberfischen. Dort wird mit den Tieren seit Langem Gesundheits- und Kosmetiktourismus betrieben. Die beiden betonen, dass sie es ernst meinen: Er habe schon einen Kredit aufgenommen, seine Partnerin ihren Job im Einzelhandel gekündigt.

Das Veterinäramt interessierte das wenig: Nur zu Wellnesszwecken dürften so viele Tiere nicht allein mit menschlichen Füßen in ein Becken gezwungen werden, entschied es. Denn Füße sonderten so einiges ab: Schweiß, Talg, Nikotin, Seife. Das könne, kombiniert mit der Enge im Becken, zu "ungerechtfertigten Schmerzen" der Tiere führen.

Der Streit zwischen strikten Tierschutzbehörden und Knabberfisch-Unternehmern tobt seit Längerem. Gerichte in Gelsenkirchen und im thüringischen Meiningen haben Behörden schon gezwungen, Genehmigungen zu erteilen. Und auch in Köln geraten die Bürokraten schnell in die Defensive: Die Kläger argumentieren, das Wasser würde häufig genug gewechselt, um die Hygiene zu gewährleisten. Zudem werde es mit UV-Licht bestrahlt, um Keime abzutöten.

Auch dass die Fische in der Praxis Krankheiten von einem Patienten auf den nächsten übertragen würden, bestreiten sie. Kunden mit offenen Wunden würden vom Personal abgelehnt. Und wer zur Fisch-Pediküre will, müsse auch schriftlich erklären, ob er an Aids, Hepatitis oder einer anderen ansteckenden Krankheit leidet.

Vor Gericht sagt auch der Unternehmer aus, der hinter der Fisch-Spa-Idee steckt. Er ist so etwas wie ein Knabberfisch-Tycoon. 70 Spas versorgt er nach eigener Aussage mit Fischen und selbstgebauten Fußaquarien-Konstruktionen. Er spricht Aquaristen-Sprech, der Richter muss nachfragen: "Was ist denn Mulm?" Antwort: "Schuppen und verfaultes Futter." Zur Präzisierung ruft der Anwalt der Kläger noch: "Der grüne Schmodder!" In dieser Formulierung kommt das auch ins Protokoll.

Niederlage für die Stadt

In einer Pause schwärmt der Kangal-Großhändler von den Möglichkeiten, die die Tiere böten: "In Potsdam gibt es das erste Spa für Beinamputierte. Das ist der Burner!" Die hätten nämlich wegen ihrer Prothesen oft besonders verhornte Stellen.

Am Ende entscheidet das Gericht gegen die Stadt und schimpft die Behördenvertreter. Sie hätten den Betrieb verboten, ohne zu erwägen, ihn unter Auflagen zu Beckengröße oder Hygiene zu gestatten. Der Tierschutz sei nicht so wichtig wie die freie Berufswahl, auch wenn diese "Fisch-Spa-Betreiber" laute.

Dem Landesamt sagte der Richter, es habe sich die Argumentation zu leicht gemacht. Zu sagen, "nehmt doch stattdessen 'ne Bürste", das reiche nicht.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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