Polizeichef von Los Angeles:Der Mann, der 700 000 Schülern schulfrei gab

Lesezeit: 2 min

Zu Beginn seiner Amtszeit galt Charlie Beck noch als Reformer. (Foto: AP)

Für Charlie Beck, den Polizeichef von Los Angeles, war der Terroralarm nicht die erste schwierige Situation. Hartes Durchgreifen fällt ihm allerdings schwer.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist nicht der prächtige Schnauzbart, der einem besonders auffällt, wenn Charlie Beck vor die Kameras tritt, es sind vielmehr diese traurigen Augen mit den vielen Falten darum. Die lassen ahnen, dass der Leiter des Los Angeles Police Department (LAPD) in seinen 38 Jahren als Polizist viel Unangenehmes erlebt hat.

Die Unruhen im Jahr 1992 etwa, als in der Stadt die Hölle los war; oder den Rampart-Skandal sechs Jahre später, bei dem sich eine Spezialeinheit als korrupter, schießwütiger Haufen herausstellte und erst unter der Leitung von Beck gesäubert und rehabilitiert wurde; oder den Tod eines unbewaffneten Obdachlosen im Mai dieses Jahres, erschossen von einem Polizisten des LAPD.

Beck stammt aus einer Polizeifamilie

Am Dienstag musste Beck wieder eine schwierige Situation erklären. Diesmal ging es darum, warum die mehr als 1000 Schulen im Bezirk Los Angeles nach einer Terrordrohung geschlossen und knapp 700 000 Schüler nach Hause geschickt worden waren. In New York hatte es eine ähnliche Drohung gegeben, offenbar vom selben Absender, die Schulen dort jedoch blieben geöffnet. Der Polizeichef von New York, William Bratton, warf seinem Kollegen Beck vor, überreagiert und die Angst der Bürger unnötig geschürt zu haben.

USA
:New Yorker Polizei kritisiert Schließung von Schulen in Kalifornien als Überreaktion

Mehr als eine halbe Million Schüler werden wegen einer Terrordrohung im Großraum Los Angeles nach Hause geschickt. Die Mail soll über eine Frankfurter IP-Adresse versandt worden sein.

Charlie Beck, 63, stammt aus einer Polizistenfamilie: Sein Vater, seine Schwester und seine Ehefrau gehörten dem LAPD an, mittlerweile sind zwei seiner Kinder und sein Schwiegersohn Polizisten. Seit sechs Jahren leitet Beck die Polizei von Los Angeles, zu Beginn galt er als heroischer Reformer und war aufgrund seiner Erfahrungen bei den Kollegen geschätzt und wegen seiner Ideen bei den Bürgern beliebt. Er setzte zum Beispiel durch, dass einige Polizisten Kameras an ihren Uniformen tragen, um ihr Verhalten zu dokumentieren.

Er greift weder hart durch, noch verteidigt er Kollegen

In den vergangenen Jahren allerdings stellte Beck zunehmend fest, dass die Arbeit als Chef des LAPD der Aufgabe gleichkommt, sämtliche Tentakel eines Tintenfisches in ein Einkaufsnetz zu stecken. Und gerade mit dieser delikaten Balance im Umgang mit Untergebenen, Politikern und Bürgern tut sich Beck häufig schwer.

Bei Kontroversen um das Verhalten von Polizisten greift er weder hart durch noch verteidigt er seine Kollegen, beim umstrittenen Kauf eines Pferdes für die Einheit seiner Tochter im vergangenen Jahr drückte er sich ebenso vor einer klaren Aussage wie bei einer Recherche der Los Angeles Times vor wenigen Monaten, wonach zahlreiche Statistiken des LAPD ungenau seien und zu falschen Rückschlüssen führten.

USA
:Los Angeles und New York streiten über richtigen Umgang mit Bombendrohungen

Die Behörden an der Westküste wehren sich gegen den Vorwurf, mit der Schließung Tausender Schulen überreagiert zu haben. Ein Frankfurter E-Mail-Anbieter soll bei den Ermittlungen helfen.

Von Hakan Tanriverdi

Ähnlich verhielt Beck sich auch am Dienstag: Er verteidigte die Entscheidung, bei der er den Leiter des Schulbezirks beraten hatte - gab jedoch im nächsten Satz zu, dass sie auch falsch gewesen sein könnte. Genau deshalb wurde er von Bratton - übrigens der Vorgänger von Beck als Polizeichef von Los Angeles - derart harsch attackiert. Als Beck auf der Pressekonferenz von der Kritik seines Kollegen erfuhr, sahen seine Augen noch ein bisschen trauriger aus.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: