Neues Club-Gesetz:Japan erlaubt Tanzen nach Mitternacht

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Tokio gilt als eine der Party-Hauptstädte weltweit. Getanzt wird aber hauptsächlich vor Mitternacht. (Foto: AFP)
  • Nach Mitternacht darf in Japan nicht getanzt werden, auch nicht in der Millionenmetropole Tokio.
  • Nach 67 Jahren soll das strenge Gesetz nun gelockert werden.

Von Patrick Wehner

Tanzverbote sind weltweit eine der letzten Bastionen der Konservativen. An den sogenannten Stillen Tagen darf in Deutschland zum Beispiel nachts nicht getanzt werden - in Bayern gilt das für neun Tage im Jahr. Stühle auf die Tische, Musik aus, Licht an, ab ins Bett. Ein Zugeständnis auch an die Kirchen.

Im CSU-regierten Freistaat mag so ein Verbot manchen noch sinnvoll erscheinen. Aber in Japan? In der Millionenmetropole Tokio, mit ihren unzähligen Clubs und Bars?

Seit 67 Jahren herrscht dort um Mitternacht ein Tanzverbot, so rigoros, dass es Bayern wie ein gottloses Hedonisten-Mekka aussehen lässt. In Japan ist das Tanzen in Clubs, Bars und auf öffentlichen Veranstaltungen um diese Uhrzeit generell verboten. Jeden Tag. Praktisch ohne Ausnahme. Werden Clubgänger dennoch beim Tanzen erwischt - Festnahme. Polizeistation. Strafe. Sapperlot.

Das Gesetz hat eine lange Geschichte. 1948 liegen Teile Japans in Schutt und Asche des Zweiten Weltkriegs, die Wirtschaft ist kaputt, Tausende Japaner sterben an den Spätfolgen der amerikanischen Atombomben.

Nach dem Krieg boomen Tanzlokale

Doch der Krieg ist vorbei und die Menschen suchen Ablenkung, entdecken wieder den Spaß am Leben, gehen feiern. Tanzlokale boomen. Den Behörden gefällt das gar nicht. Die Politik wittert den moralischen Verfall des einst so stolzen und gerade erst so stark gebeutelten Landes. In den Clubs sehen die Autoritäten Horte der Prostitution und Kriminalität. Der Krieg gegen das Tanzen, wie viele in Japan sagen, beginnt.

In den 70er, 80er und 90er Jahren wird das Verbot zwar eher lax ausgelegt, Polizisten sehen über Verstöße hinweg. Doch in den 2000er Jahren gibt es mehrere Skandale, prominente Japaner sind in Clubs in Drogendelikte verwickelt, bei einer Schlägerei gibt es einen Toten - das alles führt dazu, dass das Gesetz wieder strikte Anwendung findet.

Im 21. Jahrhundert soll mit dem Verbot des nächtlichen Tanzens nun Schluss sein. Zur Freude vieler Japaner, die das auch in Petitionen gefordert hatten. Zu groß erschien ihnen dieser Anachronismus, zu groß war vielleicht auch ihre Angst, bei den Olympischen Spielen 2020 als Spaßbremsen-Land dazustehen.

Doch das neue Gesetz hat einen Haken. Sitzbereiche in Clubs dürfen nicht zu dunkel sein, so wollen die Behörden dort kriminelle Geschäfte erschweren. Sie sollen mit 10 Lux erleuchtet sein, das entspricht etwa der Helligkeit im Kino - wenn das Licht noch an ist. Clubs, die sich weigern, sollen weiterhin nach den alten Regeln behandelt werden. Das neue Gesetz wird 2016 in Kraft treten. Bis dahin gilt in Japan: zum Tanzen vielleicht doch nach Bayern fahren.

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