Nach Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch:Proteste gegen Arbeitsbedingungen eskalieren

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Wut und Ohnmacht: Mit Steinen werfen aufgebrachte Fabrikarbeiter auf Polizisten. Hunderttausende sind bereits auf den Straßen, um gegen miserable Arbeitsbedingungen zu protestieren.  (Foto: REUTERS)

In Bangladesch gehen Hunderttausende auf die Straßen, um gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken des Landes zu protestieren. Noch immer werden viele Arbeiter unter den Trümmern des vor zwei Tagen eingestürztes Gebäudes nahe Dhaka vermutet. Der Besitzer der Fabrik ist auf der Flucht.

Zwei Tage nach dem Einsturz eines achtstöckigen Fabrikgebäudes, der mehr als 300 Tote forderte, schlägt in Bangladesch die Trauer in Wut um. In der Hauptstadt Dhaka gingen hunderttausende Textilarbeiter am Freitag aus Protest gegen ihre miserablen Arbeitsbedingungen auf die Straßen, griffen Fabriken an, warfen Fahrzeuge um und setzten Verkaufsstände in Brand. Sie forderten die Hinrichtung der für das Unglück Verantwortlichen.

Die Proteste starteten in dem Vorort Savar, wo das Gebäude mit dem Namen "Rana Plaza" am Mittwochmorgen zusammengestürzt war, weiteten sich aber rasch auf andere Bezirke von Dhaka aus. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein. Ein Großteil der 4500 Textilfabriken des Landes blieb wegen der Aufstände und aus Sorge vor Ausschreitungen geschlossen. Ihre Besitzer gaben den Arbeitern auch am Samstag frei, für Sonntag riefen die Gewerkschaften zum Streik auf.

Der Polizei zufolge fordern die Demonstranten neben besseren Arbeitsbedingungen auch den Tod des flüchtigen Gebäudebesitzers, eines Mitglieds der Regierungspartei, und der Chefs der fünf im "Rana Plaza" betriebenen Fabriken. Sie hatten offenbar ihre überwiegend weiblichen Arbeitskräfte aufgefordert, trotz Rissen an dem Gebäude an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.

Unterdessen setzten die Bergungseinheiten ihre Arbeit fort. Die Hoffnung auf weitere Überlebende schwand, obwohl nach wie vor Hilferufe aus den Trümmern drangen. Am Unglücksort breitete sich Verwesungsgeruch aus. Tausende Angehörige verloren am Freitag die Geduld mit den Bergungskräften und stürmten auf das Gelände, um sich selbst an der Suche zu beteiligen. Die Polizei drängte sie mit Tränengas wieder zurück. Nach wie vor war unklar, wie viele Menschen noch verschüttet sind.

Amputierte Arme und Beine

Zum Zeitpunkt des Unglücks sollen mindestens 3000 Menschen in den fünf Fabriken des "Rana Plaza" gearbeitet haben. 2300 wurden bis Freitag als Überlebende registriert, 1200 von ihnen wurden noch in Krankenhäusern behandelt. Viele büßten Arme oder Beine ein oder waren so schwer verletzt, dass den Ärzten nur noch die Amputation übrig bleiben wird.

Unklar ist auch weiterhin, welche internationalen Konzerne in den fünf Fabriken arbeiten ließen. Die britische Billigkette Primark und der spanische Hersteller Mango räumten inzwischen ein, dass sie in "Rana Plaza" Zulieferer beauftragten, andere Marken wie Walmart und die französische Supermarktkette Carrefour recherchierten nach eigenen Angaben noch, Benneton und C&A dementierten eine Verbindung zu den fünf Fabriken.

Nach mehreren derartigen Unglücken in Textilfabriken von Bangladesch, deren Opfer ebenfalls für internationale Konzerne gearbeitet hatten, wird nun auch der Ruf im Ausland nach besseren Arbeitsbedingungen in dem Land lauter. Das Unglück zeige, dass "Regierung, Besitzer, Verbraucher und Arbeiter" gemeinsam Verantwortung übernehmen müssten, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Die Internationale Arbeitsorganisation forderte Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften auf, sich gemeinsam für sichere Arbeitsplätze in Bangladesch einzusetzen.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/jst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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