Merkel bei Papst Franziskus:52 Minuten gilt es zu schlagen

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Ankunft im Vatikan: Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft Papst Franziskus zu einer Privataudienz. (Foto: REUTERS)

Je länger, desto besser: Wenn Angela Merkel Papst Franziskus im Vatikan trifft, misst sich der Erfolg des Gesprächs nach Minuten. Einen Topwert erzielte hier Barack Obama, Wladimir Putin hingegen schreckte halb Rom auf.

Von Oliver Meiler, Rom

Zwanzig Minuten sind Durchschnitt. Dreißig Minuten sind schon ziemlich gut. Ab vierzig Minuten darf ein Gast behaupten, er wiege schwer auf der Waage der Weltpolitik - und zwar nicht nur für die Welt da draußen, sondern auch für die Welt drinnen, im Vatikan. Privataudienzen hoher Staatsgäste beim Papst sind so privat, sehr nahe an der Beichtsituation, dass die Öffentlichkeit meist nur einige Randdaten daraus erfährt, wie eben die Dauer des Treffens.

Sie wird vom Personal gestoppt, auf die Minute genau. Und natürlich hängt sie nicht unwesentlich davon ab, ob das Gespräch von Dolmetschern übersetzt werden muss oder nicht. Die Übersetzer sind die einzigen Beisitzer des Tête-à-Tête. Keine Berater, keine Minister, keine Gatten und Gattinnen - während der Privataudienz ist der Papst allein mit den Politikern.

Fromme Gäste schenken heilige Bildchen, weniger fromme Bücher

Auch mit denen, die in ihm keinen Heiligen Vater sehen und doch seinen Glanz suchen, mehr noch als seinen Rat. Vielen Gästen ist das Bild danach wichtiger, der Handschlag mit dem Mann ganz in Weiß. Jeder Staatschef kann beim vatikanischen Staatssekretariat den Antrag auf eine Audienz stellen. Doch man darf annehmen, dass sie nicht jedem gewährt wird, wohl ebenfalls aus politischer Opportunität.

Das Setting der Privataudienzen ist meistens dasselbe und beladen von schwerem Protokoll. Daran hat auch der jetzige Papst aus Argentinien nichts geändert, obschon seine Abneigung gegen das Protokollarische bereits etwas Legendäres hat.

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(Foto: AFP)

"Sehr beeindruckt": US-Präsident Barack Obama war im März 2014 beim Papst - rekordträchtige 52 Minuten dauerte die Audienz.

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(Foto: Claudio Peri/AP)

45 Minuten zu spät kam Russlands Präsident Wladimir Putin zur Audienz im November 2013. Fürs Gespräch blieben 32 Minuten.

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(Foto: Alexander Hassenstein/AP)

"Man ist nicht jeden Tag beim Papst": Torwart Manuel Neuer nach der 15-minütigen Audienz für den 1. FC Bayern im Oktober.

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(Foto: Gregorio Borgia/AP)

Im Dezember war Italiens Premier Matteo Renzi mit Familie für 30 Minuten zu Gast. Dabei gab es ein Küsschen für Tochter Ester.

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(Foto: Gabriel Bouys/AP)

"Bis bald": Frankreichs Präsident François Hollande verabschiedete sich salopp nach einer gut 30-minütigen Audienz im Januar 2014.

Die Gäste werden durch ein Seitenportal des Vatikans in den Damasushof gefahren, wo sie der Präfekt des päpstlichen Hauses und eine Abordnung von Schweizergardisten empfängt, die sie dann kantigen Schrittes in die zweite Loggia des Apostolischen Palasts begleitet: über Marmorfliesen, durch ein Labyrinth von Gängen und Treppen. Der Palazzo diente den Päpsten vor Franziskus auch als Residenz. Jorge Mario Bergoglio aber arbeitet nur da.

In der zweiten Loggia ist die päpstliche Bibliothek untergebracht, Ort der Privataudienzen und Arbeitstreffen mit Bischöfen, eine Art Sitzungszimmer, etwa 400-mal belegt im Jahr. Es ist ein einfacher Saal mit roten Perserteppichen. Viele Bücher stehen nicht in den Schränken an den Wänden, dafür hängen da große Gemälde. Die Delegationen warten draußen, bis die Audienz vorbei ist, und werden dann vorgelassen für den traditionellen Reigen der Grußbotschaften. Man tauscht auch Geschenke aus.

Der Papst schenkt meist Medaillen, die frommen Gäste heilige Bildchen und Ikonen, die weniger frommen Bücher, CDs samt beredter Erklärung des Mitgebrachten. Auch bei der genauen Beschreibung der Geschenke gibt sich der Vatikan danach viel Mühe, obschon deren Symbolgehalt selten groß ist: Man hat sonst nichts zu berichten. Privat ist privat.

Barack Obama war im letzten März da. Er fand es "wonderful", den Papst zu treffen. "Ich bin einer ihrer Verehrer", sagte er zu Franziskus, als alle mithörten und die Kameras wieder dabei waren. 52 Minuten dauerte die Audienz mit Obama, ein Topwert. Wladimir Putin hatte schon im November 2013 vorbeigeschaut, kam zu spät, schreckte halb Rom auf mit seiner imposanten Autoeskorte, blieb aber nur 32 Minuten - mit Dolmetscher. Es gab Bilder mit angespannten Gesichtern.

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Locker war dagegen die Audienz mit dem italienischen Premier Matteo Renzi, zumindest davor und danach. Der brachte kurz vor Weihnachten seine ganze Regierung und seine Familie samt dreier Kinder mit. Und blieb 30 Minuten in der Bibliothek, ohne Dolmetscher, netto also etwas mehr. Angela Merkels erste Audienz im Mai 2013 dauerte 45 Minuten. Damit ist sie ganz oben dabei.

© SZ vom 21.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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