Kriminalität:"Lasermann" und der Fall Zmigrod

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Nach einer der größten Fahndungen in Schweden wird Ausonius im Juni 1992 festgenommen. (Foto: Tobias Rostlund/dpa)
  • Der Schwede Ausonius schießt zwischen 1991 und 1992 in Schweden mit einem Gewehr auf zehn Migranten. Einen tötet er, einer wird lebensgefährlich verletzt.
  • Zugleich überfällt er Banken. Nach einer der größten Fahndungen in Schweden nimmt man ihn im Juni 1992 fest. Er wird zu 30 Jahren Haft verurteilt.
  • Im Februar 1992 soll er zudem in Frankfurt eine Garderobiere getötet haben.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Nasskalt ist es am 22. Februar 1992 in Frankfurt am Main, der Himmel bedeckt. Bei einem Balalaika-Konzert in der Jahrhunderthalle Höchst tritt am Abend der Sänger Ivan Rebroff auf. Gegen Mitternacht macht sich Blanka Zmigrod auf den Heimweg. Die 68-Jährige ist Garderobiere eines Restaurants am Opernplatz in der Innenstadt. Sie wird nicht weit kommen. Im Kettenhofweg fällt ein Schuss. Die Frau bricht zusammen, ein Mann greift sich, wie ein Zeuge später berichtet, ihre Handtasche und verschwindet auf einem Fahrrad in der Dunkelheit.

Gut möglich, dass es bald mehr Klarheit gibt in diesem rätselhaften Fall. Das Landgericht Frankfurt wird vielleicht noch im Sommer entscheiden, ob der des Mordes verdächtige Mann vor Gericht gestellt werden wird. Es ist der Schwede John Wolfgang Alexander Ausonius, 1953 geboren, Sohn eines Schweizers und einer Deutschen, ein verurteilter Schwerverbrecher, dessen Untaten vor gut 20 Jahren Skandinavien erschütterten. In Deutschland wurde gar spekuliert, ob er ein Vorbild für die Terrorzelle NSU gewesen sein könnte.

Die Frankfurter Ermittler kommen Ausonius nach dem Mord an der Garderobiere rasch auf die Spur. Er ist der Mann, der zwischen 1991 und 1992 in Schweden mit einem Gewehr auf zehn Migranten schießt, einen von ihnen tötet und andere lebensgefährlich verletzt. "Lasermann" wird er genannt, weil er ein Gewehr mit einer Laser-Zielvorrichtung benutzte. Zugleich überfällt Ausonius in jener Zeit Banken, er braucht dringend Geld. Nach einer der größten Fahndungen in Schweden nimmt man ihn im Juni 1992 fest. Drei Jahre später wird er zu 30 Jahren Haft verurteilt. Ausonius bestreitet im Prozess die Bluttaten. Erst 2000 räumt er sie ein.

Spielsüchtig und "wahnwitzig"

Die deutschen Ermittler wissen, dass Ausonius im Jahr 1992 zur Tatzeit tatsächlich in Frankfurt war und Blanka Zmigorod kannte. Mitte Februar hatte er bei einem Besuch in dem Restaurant am Opernplatz bei ihr seinen Mantel abgegeben. Hinterher soll er seinen Taschen-Computer vermisst haben. Telefonisch fragte er laut Zeugenberichten im Restaurant nach dem Gerät, vermutete, die Garderobiere habe den Rechner gestohlen. Er bietet 200 Mark Finderlohn. Doch das Gerät bleibt verschwunden.

Man kann nur mutmaßen, welche Informationen Ausonius in seinem Gerät gespeichert hatte. Er war zu jener Zeit, so viel ist sicher, in großer Not. Kein Geld, gesucht von der Polizei in Schweden, spielsüchtig und "wahnwitzig", wie er sich selbst zwei Jahrzehnte später beschreiben wird.

Der junge Wolfgang Alexander John Zaugg - so lautet sein Geburtsname - soll ein guter Schüler gewesen sein. Aus ihm, der aus der Stadt Lidingö im Stockholmer Schärengarten stammt, hätte was werden können. Aber er bricht sein Studium ab, jobbt, spekuliert an der Börse, wird zum Zocker, verspielt sein Geld, macht Schulden, raubt Banken aus. Und entwickelt Hass auf Migranten. Nicht solche, die wie seine Eltern aus europäischen Ländern nach Schweden kamen. Sondern Einwanderer aus fernen Kontinenten. Ist Ausonius ein gewaltbereiter Rechtsextremer?

Die deutschen Sicherheitsbehörden hegten genau diesen Verdacht, nachdem die rechtsterroristische NSU 2011 aufgeflogen war. Im Bundesamt für Verfassungsschutz suchte man damals nach Erklärungen, wieso das Trio so lange unentdeckt hatte bleiben können. Und prüfte, ob die drei womöglich Vorbilder aus dem Ausland hatten, radikale Einzelgänger wie John Ausonius vielleicht. Nur: Beweisen ließ sich das nie.

Der Verurteilte selbst bestreitet vehement, je ein Extremist gewesen zu sein. In einem langen Gespräch während eines Gefängnisfreigangs in Schweden erzählte er im Jahr 2015 der Berliner Zeitung, er habe zwischenzeitlich zwar einen Hass auf Fremde entwickelt, auf sie geschossen, ja. Aber damit habe er nur von den Banküberfällen ablenken wollen. Klar bei Sinnen sei er nicht gewesen. Politische Ziele habe er mit den Schüssen nicht verfolgt. "Ich bin kein Neonazi, kein politischer Mensch, das bin ich nie gewesen", sagte er.

Den Mord an der jüdischen Garderobiere bestritt er damals und tut es heute noch. Den Disput mit der Frau räumt er zwar ein, auch den Besitz einer Waffe, die er aber in Frankfurt verkauft haben will. Danach fliegt er - das ist gesichert - mit einem gefälschten Pass nach Südafrika, kehrt zurück nach Schweden und wird dort gefasst.

In Schweden hatten deutsche und schwedische Fahnder Ausonius schon vor vielen Jahren zu den Frankfurter Ereignissen befragt. Er wollte damals nicht aussagen. Danach ruhten die Ermittlungen, der Mann saß im Gefängnis. Erst nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie wurden die hessischen Ermittlungsbehörden wieder aktiv. Er wird erneut vernommen, beteuert aber wieder seine Unschuld.

Schweden liefert ihn nach Deutschland aus, seit vergangenem Dezember sitzt der nun 64-Jährige in Frankfurt in Haft. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben, sie wirft ihm vor, Blanka Zmigrod aus Habgier heimtückisch ermordet zu haben, des Computers wegen. Ausonius' Strafverteidiger hat beantragt, auf eine Verhandlung zu verzichten. "Es liegen lediglich einzelne Indizien, nicht einmal eine Indizienkette vor", sagt Joachim Bremer. "Das reicht nicht für eine Hauptverhandlung."

Lässt das Landgericht die Klage zu, dürfte es ein schwieriger Prozess werden. Womöglich wird auch der NSU-Prozess in München dann noch nicht beendet sein. Und Ausonius wird das Gericht nicht nur von seiner Unschuld überzeugen müssen. Sondern auch davon, dass er kein Rechtsterrorist ist.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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