Kriminalität in den USA:Wer hat die Nuss geklaut?

Lesezeit: 3 min

Die Polizei in Kalifornien hat seit ein paar Jahren Schwierigkeiten mit Nussdiebstahl, und zwar im großen Stil. (Foto: dpa)

Die Polizei in Kalifornien hat Schwierigkeiten mit Nussdiebstählen im großen Stil. Ganze Schiffsladungen werden entwendet. Auf erstaunlich simple Art und Weise.

Von Jürgen Schmieder

Der junge Mann im MacArthur Park sagt: "No problem!" Natürlich sagt er das, denn wer eine gefälschte Heiratsurkunde braucht, eine falsche Steuernummer oder auch eine komplett neue Identität, der kommt in diesen Park, der mal als Champs-Élysées von Los Angeles gegolten hat und dem die Red Hot Chili Peppers das Lied "Under the Bridge" gewidmet haben. Die Leute hier fragen nicht, warum einer was brauchen könnte, sie nennen Preis und Beschaffungszeit, so auch an diesem Nachmittag. Ein kalifornischer Führerschein, zwei Lieferscheine, ein paar Aufkleber? "Drei Stunden, 950 Dollar", sagt der junge Mann.

Es ist offenbar gar nicht mal billig, ein professioneller Nüssedieb zu werden. Aber es lohnt sich, monetär gesehen, schließlich kann man mit einer geklauten Lastwagen-Ladung Pistazien oder Walnüsse im Wert von bis zu 450 000 Dollar erbeuten.

Nuss-Nougat-Creme
:Amerika fragt sich: Was ist Nutella?

722 Mütter sollten beantworten, ob die Nuss-Nougat-Creme eher ein Dessert-Topping oder doch eine Art Marmelade ist. Für Ferrero steht bei der Frage viel auf dem Spiel.

Von Ruth Eisenreich

Tatsächlich ist Nüsseklau seit ein paar Jahren ein, wenn man es so bezeichnen will, Trend-Verbrechen in Kalifornien - allein im vergangenen Jahr sind Waren im Wert von mehr als fünf Millionen Dollar abhanden gekommen.

Die Verbrecher stehlen die Nüsse nicht, ihr Vorgehen erinnert vielmehr an eine Episode der deutschen TV-Sendung "Vorsicht, Falle" mit dem prächtigen Untertitel "Nepper, Schlepper, Bauernfänger": Sie erscheinen mit ordentlich anmutenden Papieren und Aufklebern tatsächlich existierender Transportfirmen auf dem Fahrzeug bei den Herstellern, sie lassen ihre Lastwagen beladen und verschwinden. Das war's. Niemand wird verletzt, niemand wird bedroht - und es kann bis zu einer Woche dauern, bis überhaupt jemand bemerkt, dass was nicht stimmt.

Ergiebiger Nüsseklau

In Kalifornien werden 80 Prozent der weltweit zum Verzehr angebotenen Mandeln produziert und mehr als 98 Prozent aller in den USA verspeisten Pistazien und Walnüsse. Die Preise sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, seit Nüsse eine Renaissance als von Ernährungsberatern abgesegnetes Futter für Körper und Seele erleben, und seit die Dürre in Kalifornien das Angebot erheblich eingeschränkt hat. 2016 hat die kalifornische Nuss- und Fruchtindustrie mehr als 17 Milliarden Dollar umgesetzt, und auch wenn Lebensmittel-Diebstahl wahrlich nicht neu ist, so scheint der Nüsseklau offenbar besonders ergiebig zu sein.

Die Diebe können die Nüsse laut Polizei innerhalb von 24 Stunden weiterverkaufen, die Schwarzmarktpreise bewegen sich laut einer Schätzung der Western Agricultural Processors Association im Gegensatz zu anderen Produkten wie etwa Elektronikgeräten auf ähnlichem Niveau wie die Marktpreise.

"Es gibt auf Nüssen nun mal keine Seriennummer wie auf Handys. Wenn sie weg sind, kann man sie nicht einfach verfolgen", sagt Mike Boudreaux. Er ist der Sheriff im kalifornischen Bezirk Tulare, in dem sich zahlreiche Plantagen befinden. "Wenn ich jemanden mit zehn Kilo Drogen erwische, dann wandert der ins Gefängnis. Wenn ich aber jemanden mit 13 Tonnen Walnüssen anhalte, dann muss ich ihm erst einmal nachweisen, dass die Dinger gestohlen sind. Ansonsten muss ich ihn weiterfahren lassen." Es helfe den Ermittlungen auch nicht gerade, dass die gestohlene Ware schnell weiterverarbeitet oder verzehrt würde.

Nach dem Diebstahl braucht es dann ein bisschen mehr als Lieferschein und Lastwagen, schließlich können die gestohlenen Nüsse nicht einfach auf den zahlreichen Wochenmärkten in Kalifornien verkauft werden. Die Diebe bewerben sich im Internet entweder legitim um Lieferaufträge oder kommen anderen Firmen um eine Stunde zuvor - das erfordert Analyse und Vorbereitung. Manchmal heuern sie auch Fahrer an, die keine Ahnung davon haben, dass sie Handlanger eines Verbrechens werden. Es braucht ein Netzwerk an Abnehmern, die sich nicht daran stören, dass die Nüsse buchstäblich vom Laster fallen.

Fastenrezept
:Nusshefezopf rumänischer Art

Von Experten, die es wissen müssen - denn traditionell dauert die Fastenzeit in Rumänien über das Jahr verteilt fünf Monate.

Die Nüsse sind sicher

Das führt aus dem Central Valley zurück zum MacArthur Park in Los Angeles. Mehr als 300 000 gefälschte Dokumente pro Jahr werden hier laut Schätzungen der Polizei verkauft. Der junge Mann ist nur ein Bote, so wie die Fahrer von Lastwagen mit gestohlenen Nüssen meist nur Kleinganoven sind, die aufgrund der Gesetzgebung bei diesem gewaltfreien Delikt nach kurzem Gefängnisaufenthalt freigelassen werden müssen. Die Polizei vermutet, dass es sich bei den Nüssedieben mitnichten um Gentlemen-Gangster handelt, die auf ihrem Beutezug möglichst niemandem weh tun möchten. Sondern um organisiertes Verbrechen.

Die Spur der Nussdiebstähle führt zu Armenia Power. Das ist eine kriminelle Organisation mit Verbindungen zur mexikanischen Mafia und dem organisierten Verbrechen in Russland, aber auch mit Beziehungen zum kalifornischen Verkehrsministerium und bis in die armenische Botschaft. Sie ist bereits wegen Identitätsdiebstahl und Kreditkartenbetrug aufgefallen und soll auch im MacArthur Park aktiv sein. Die Bundesbehörde FBI hat die Ermittlungen aufgenommen, was den Plantagenbesitzern jedoch nicht unbedingt hilft. Wer die ganz großen Fische fangen möchte, der kümmert sich oftmals nicht um die Krümel, die in den Ozean fallen.

"Wir sind nun besser vorbereitet", sagt Boudreaux angesichts der bevorstehenden Ernte von Pistazien und Walnüssen im September. Die Plantagenbesitzer hätten ihre Sicherheitsvorkehrungen verbessert, sie beladen Lastwagen nur gegen Barzahlung oder verlangen Fingerabdrücke von den Fahrern. Die Polizei habe sich ebenfalls gegen die Diebstähle gerüstet: "Wir werden die Trucks verfolgen - nicht nur auf dem Boden, sondern auch von der Luft aus." Es soll eine Botschaft an die Kalifornier sein, und diese lautet: Die Nüsse sind sicher. Aber es klingt auch ein wenig verzweifelt.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bienendiebstahl
:Völlig außer Kontrolle

Imker haben neuerdings ein ungewöhnliches Problem: Die Diebstähle von Bienen häufen sich. Meist sind die Diebe selbst Imker, die ihr Geschäft ausbauen wollen. Einblicke in einen irrsinnigen Kreislauf.

Von Kathrin Werner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: