Diebe klauen für gewöhnlich Handtaschen, Portemonnaies, Handys. Manchmal Fahrräder, manchmal Autos. Und manchmal machen sie sich über Bienen her. Ja: Bienen.
An Pfingsten meldete ein Imker bei der brandenburgischen Polizei drei Völker aus der Nähe von Beesdau als gestohlen. In Herzberg am Harz haben Diebe drei Bienenvölker mit etwa 90 000 Insekten auf einer Wiese mitgehen lassen. Und im März haben Unbekannte einem Imker in Netphen-Werthenbach in Nordrhein-Westfalen vier Bienenvölker geklaut. Der Bienendiebstahl ist sogar ein weltweites Phänomen: In Québec sind im April 184 Kolonien verschwunden. Und in Kalifornien waren es in der Mandel-Bestäubungssaison in diesem Februar und März 1734 Bienenvölker. Eine gigantische Zahl.
Ein Fall bringt jetzt sogar einen Mann ins Gefängnis. In Butte County im fruchtbarsten Teil Kaliforniens hat Jacob Spath mitten in der Nacht mit Laster und Gabelstapler 64 Bienenvölker abtransportiert - insgesamt 20 000 Dollar wert, sie sollten eigentlich die Mandelbäume bestäuben. Der 32-Jährige muss 90 Tage ins Gefängnis, danach drei Jahre Bewährung. "Das Diebstahlproblem gerät völlig außer Kontrolle", sagt Joy Pendell vom kalifornischen Imkerverband.
Es gibt Bienen-Makler, die Farmer und Imker gegen Gebühr zusammenbringen
Das liegt auch daran, dass Bienen immer wertvoller werden. Während die Landwirtschaft wächst, haben die Imker Schwierigkeiten, ihre Bienen am Leben zu halten. Die Bauern brauchen die Tiere aber und zahlen immer mehr für ihre Dienste. Imker fahren ihre Bienen Tausende Kilometer durch Amerika. Im Frühjahr bringen sie drei Viertel aller amerikanischen Kolonien nach Kalifornien, wo die Mandelbäume warten, und im Sommer arbeiten sie sich an den Sonnenblumenfeldern und den Obstplantagen in North und South Dakota, Montana und Minnesota ab. Es gibt sogar Bienen-Makler, die Farmer und Imker gegen Gebühr zusammenbringen. Es ist eine Milliardenindustrie: Imker in den USA halten insgesamt rund 2,7 Millionen Kolonien. In Deutschland ist die jährliche Bestäubungsleistung der 800 000 Völker laut Bundesumweltministerium rund zwei Milliarden Euro wert. Nach Rindern und Schweinen ist die Honigbiene Deutschlands wichtigstes Nutztier.
Die Imker zitieren gern Albert Einstein: "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr." Es ist allerdings unklar, ob Einstein das tatsächlich je gesagt hat - und ganz so schlimm wäre es auch gar nicht, weiß die Forschung heute, aber die Menschheit müsste auf gut ein Drittel der Nahrung verzichten. Und die Bauern auf viel Geld: Ohne die Bestäubung durch die Tiere verlören allein die US-amerikanischen Bauern rund 17 Milliarden Dollar Umsatz.
2006 begann ein mysteriöses Bienensterben in den Wintermonaten, das bis heute anhält: Imker, die ihre Bienenstöcke prüfen, finden sie leer vor, Honig ist drin, auch Wachs und Waben - aber eben keine Bienen. Die Insekten verschwinden einfach. In den USA starben vor 2006 zehn bis 15 Prozent der Tiere pro Winter, seit 2006 lag der Schnitt laut US-Umweltbehörde EPA bei bis zu 30 Prozent. Auch Teile Europas, darunter Deutschland, melden hohe Verluste. Wissenschaftler sprechen von Colony Collapse Disorder (CCD). Was CCD auslöst, ist noch nicht komplett erforscht, wahrscheinlich ist es eine Kombination verschiedener Umwelteinflüsse. Hauptansatzpunkt sind Pestizide, vor allem die als Bienenkiller bekannten Neonikotinoide. Sie sind in der EU seit einigen Jahren zumindest teilweise verboten. Seit 2010 sinken die CCD-Fälle wieder, Grund zur Entwarnung gibt es aber nicht, auch weil so viele andere Krankheiten und Parasiten die Bienen töten. Mangelernährung ist ebenfalls ein Problem, gerade in den USA mit den meilenweiten Monokulturen bekommen die Tiere oft nicht genug Abwechslung in ihrer Diät. 44 Prozent aller amerikanischen Bienen haben die Zeit von April 2015 bis April 2016 nicht überlebt. "Das Schrumpfen der Bienen-Bevölkerung ist eine der größten Herausforderungen für die weltweite Landwirtschaft und die Lebensmittelsicherheit in den kommenden fünf Jahren", heißt es in einer aktuellen Studie des US-Landwirtschaftsministeriums.
Der Diebstahl ist nicht einfach, wenn man kein Profi ist, man will ja nicht gestochen werden
Je knapper das Bienenangebot, desto mehr können die Imker und Bienen-Makler für die Bestäubung verlangen. Während ein kalifornischer Mandelbauer für eine Leihkolonie 2009 noch 76 Dollar zahlte, waren es im Jahr 2009 schon 157 Dollar. In diesem Jahr verlangen die Imker bis zu 200 Dollar für die Dienste. Und so lohnt sich auch der Diebstahl immer mehr.
Manche Imker statten die Kisten für ihre Bienenvölker inzwischen mit GPS-Sensoren aus und verfolgen auf dem Computer oder auf dem Handy, ob die Kiste da ist, wo sie hingehört. Andere haben Überwachungskameras installiert. Die meisten Bienenstöcke sind aber ungeschützt - und leichte Beute. Meist sind die Diebe andere Imker, die ihr Geschäft ausbauen wollen oder deren Tiere den Winter nicht überlebt haben. Bienen zu klauen ist schwierig, wenn man kein Profi ist, man will ja nicht gestochen werden. Für Imker ist der Diebstahl dagegen oft einfach. Bienen sehen alle gleich aus, es lässt sich schwer nachweisen, dass ein Volk geklaut ist, wenn man den Dieb nicht bei der Tat erwischt.
Auch Jacob Spath, der kalifornische Bienendieb, ist Imker. Er wollte mit den geklauten Tieren seinen lukrativen Bestäubungsauftrag erfüllen.